Historische Zeitleiste

Mai

"Ich protestire gegen jedes Experiment in corpore vivo, gegen den Vorsaz ..., einem lebenden Menschen, an demselben Orte lebenden Menschen!, Mitglied einer Akademie, während seines Lebens! eine Büste zu widmen. ... Ich traue selbst einer Akademie Zartheit der Gefühle genug zu, um der Bitte eines 80-jährigen Mannes nachzugeben."

(Alexander von Humboldt an Ehrenberg, 5.5.1850, zit. nach: K.-R. Biermann, Beglückende Ermunterung durch die Akademische Gemeinschaft. Alexander von Humboldt als Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften, Berlin 1991:77)

Humboldt-Büste

Büste
Am 18. April 1850 stimmte das Plenum der Akademie einem Vorschlag der Physikalisch-mathematischen Klasse zu, auf Kosten der Akademiemitglieder eine Büste Alexander von Humboldts fertigen zu lassen.

Der so Geehrte erfuhr am 3. Mai 1850 von diesem Vorschlag und "geriet in eine kaum zu erklärende Aufregung. Nicht weniger als sieben Briefe hat er an die vier Sekretare gerichtet, um gegen die geplante Aufstellung einer Büste zu seinen Lebzeiten zu protestieren, und zwar mit einer Leidenschaft, die man sonst ganz und gar nicht an ihm kennt." (1)

An den Sekretar der Physikalisch-mathematischen Klasse Johann Franz Encke schrieb er am 3.5.1850: "Die Schreckensnachricht ... (Aufstellung einer Büste!!) betrübt mich dermaassen, daß ich Monathe lang an aller Arbeit gehindert sein werde. ... Selbst Staatsmännern sezt man erst Büsten in den Conferenzzimmern nach ihrem Tode." (2)

Einen Tag später schon folgt ein zweiter Brief an Encke: "Die Büste eines an demselben Orte lebenden Gelehrten, von der Akademie decretirt, die seit mehr als einem Jahrhundert während daß Kant, Euler, Lagrange, Lessing, Bessel dahin gestorben sind, nur die Büste des unsterblichen Entdeckers der Infinitesimal-Rechnung (nach seinem Tode aufgestellt) besizt, kann einem 81-jährigen, selbst dem Tode so nahen Manne nur Trauer und Beschämung erregen." (3)

Die Büste wurde 1851 von Humboldts engem Freund Christian Daniel Rauch in Marmor für die Akademie ausgeführt. Sie wurde nach Humboldts Tod am 7.7.1859 in der Akademie aufgestellt. Während des II. Weltkrieges wurde die Büste durch Bombenangriffe beschädigt und zum 100. Todestag Humboldts restauriert.

(1) Kurt-R. Biermann, Beglückende Ermunterung durch die Akademische Gemeinschaft. Alexander von Humboldt als Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften, Berlin 1991:76. (2) Ibid. (3) Ibid.

Thomas Henry Huxley

Am 3.8.1865 wurde Thomas H. Huxley vom Plenum der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften einstimmig zum Korrespondierenden Mitglied gewählt. Die Laudatio von Wilhelm Peters hebt hervor, daß er "vier Jahre 1846-1850 auf dem englischen Schiff Rattlesnake als Naturforscher (1) die Reise um die Erde" unternommen hatte, und "seit dem der wissenschaftlichen Welt durch eine Reihe ausgezeichneter zoologisch-zootomischer Arbeiten bekannt geworden" ist. (2) Mit keinem Wort wird erwähnt, daß Huxley in Fachkreisen wie auch in der Öffentlichkeit als vehementer Streiter für die Darwinsche Deszendenztheorie auftrat und intensiv am Nachweis für die Abstammung des Menschen von tierischen Vorfahren arbeitete.

Sofort nach der Veröffentlichung der "Orgin of Species" im Jahr 1859 hatte sich Huxley für die Deszendenztheorie Darwins stark gemacht. Für ihn bestand kein Zweifel daran, daß sich aus der von Darwin festgestellten Abstammung aller Lebewesen von einer oder wenigen Urformen tiefgreifende Konsequenzen für das Selbstverständnis des Menschen ergeben mußten. Während Darwin selbst die Fragen nach der Verbindung von menschlichem Denken und sozialer Moral mit dem Naturprozeß 1859/60 mit großer Vorsicht und taktisch gezügelt behandelte, suchte Huxley die direkte öffentliche Diskussion. Seine berühmte Kontroverse mit dem Oxforder Bischof Samuel Wilberforce von 1860 über diese Thema (3) markiert den Beginn einer bis heute nicht beeendeten, zuweilen scharf geführten Debatte zwischen den Vertretern der Schöpfungsgeschichte und Anhängern der Evolutionstheorie, bei der es seit dem berühmten Verfahren gegen den Biologielehrer John Scopes im Tennesse des Jahres 1925 auch um die Frage der Deutungshoheit in den Schulen geht.

In den fünfziger Jahren hatte sich Huxley nicht nur mit seinen zoologisch-zootomischen Spezialarbeiten, sondern auch durch seine Beiträge zu Methodenfragen der Biologie, zur Zellentheorie oder zur Lebensentstehung einen Namen gemacht. Von 1855 an beschäftigte er sich, zuerst als Professor für Naturkunde an der Royal School of Mines in London und dann als Fulleran-Professor für Physiologie, verstärkt mit der Morphologie und Anatomie von Wirbeltieren. Ähnlich wie C. Gegenbaur und E. Haeckel in Deutschland so förderte in England neben E. R. Lancaster und F. M. Balfour besonders Huxley durch vergleichend-anatomische Untersuchungen die Rekonstruktion der Lebensformen nach evolutionären Prinzipen durch die Morphologie. Diese Methodik hat im Vorfeld der Darwinschen Deszendenztheorie wesentlich dazu beigetragen, unter den Fachvertretern der Vorstellung einer Verwandtschaft der Lebensformen für die zoologische Systematik den Boden zu bereiten.

1861 wagte Huxley dann in seinem Aufsatz "On the zoological relations of man with the lower animals" eine Ausweitung der Darwinschen Deszendenztheorie auf den Menschen. Großes Aufsehen erregte allerdings zwei Jahre später sein anthropologisches Werk "Evidence as to man's place in nature". Es erlebte bereits im Jahr seines Erscheinens drei Auflagen. In diesem Buch suchte Huxley den Nachweis zu führen, daß die anatomische Verwandtschaft des Menschen mit den Menschenaffen größer ist, als die Verwandtschaft zwischen den Menschenaffen und den übrigen rezenten Affen. (4)

Bei einer ersten Lektüre der Dokumente scheint es, als habe für seine Aufnahme in die Akademie dieser Themenkreis keine Rolle gespielt. In der Laudatio wird zwar eine "Abhandlung über die westafrikanischen Halbaffen" erwähnt, ein Hinweis auf das die Öffentlichkeit beschäftigende Werk von 1863 fehlt jedoch gänzlich. Vielleicht scheint dies aber auch nur dem so, der deutliche verbale Bekenntnisse sucht und dann lediglich das Lob von Wilhelm Peters für eine Verbindung der zoologischen Arbeiten "mit genialen allgemeinen Anschauungen über das Wesen, die Entstehung und relativen Beziehungen der organischen Körper" findet. (5) Wie dem auch sei, die Akademie hat ohne Beteiligung an dieser brisanten weltanschauliche Debatten durch die Aufnahme von Huxley und Darwin als exzellenter Fachwissenschaftler letztlich doch deutlich Stellung bezogen.

(1) Huxley hatte als Schiffsarzt angeheuert und sich als auch als Naturforscher betätigt, vgl.: Dict. Scient. Biogr., vol. 6, N. Y. 1981, p.592
(2) Laudatio von Wilhelm Peters, Archiv der BBAW, II-III, 120, Bl. 129.
(3) Vgl.: R. M. Young, Darwin's metapher: nature's place in Victorian culture, Cambridge 1985:3-9.
(4) I. Jahn et al, Geschichte der Biologie, 3. Aufl., Jena, Stuttgart, Lübeck, Ulm 1998:376 f.
(5) Laudatio von Wilhelm Peters, Archiv der BBAW, II-III, 120, Bl. 129.

Erster Akademiekalender

"Wir Friderich der Dritte, [...wollen, daß] das Calender-Wesen auf einen verbesserten Fuss gerichtet und daneben dahin abgeziehlet worden, wie künftig die Zeit-Rechnung nach dem Astronomischen Calculo und Observationen des Himmels geführt und wie billig verbessert werden möchte."

Kalender-Patent vom 10. Mai 1700, zit. nach: A. v. Harnack, Geschichte der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin 1900, II:87ff.

Calender-Wesen
Am 10. Mai 1700 erhält die Societät der Wissenschaften vom König das Kalender-Patent und damit das alleinige Recht zur Herstellung von Kalendern in Brandenburg.

Gedruckte Kalender gehörten in der Zeit zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der Französischen Revolution zur populären Massenliteratur. Es entwickelten sich verschiedene Kalendertypen, die auf unterschiedliche Bedürfnisse abgestimmt waren. In ihnen wurden etwa die Heiligentage aufgezeichnet, an denen Jahrmärkte stattfanden und Feudalleistungen sowie Steuerabgaben zu leisten waren; manche vermerkten Ankunft und Abreise von reitenden Posten, gaben Umrechnungen für unterschiedliche Maße und Gewichte an; besonders wichtig war wie heute der 'Wetterbericht', der mit praktischen Hinweisen für die anstehenden Arbeiten in Hof, Stall und auf dem Acker verbunden wurde. Auf diese Weise bildeten die Kalender ein chronologisch geordnetes Hausbuch für ein lesekundiges Publikum.

Das von Leibniz vorgeschlagene Kalender-Patent erwies sich als ökonomischer Volltreffer für die Societät. Die Voraussetzungen für den Absatz in Brandenburg waren günstig: es gab einen hohen Bedarf und überdies war der Monarch ein Kalenderliebhaber. Die Organisation von Herstellung und Vertrieb übernahm der Mitbegründer der Societät Johann Jacob Chuno. Mit Gottfried Kirch gewann er den einzigen Mann in Deutschland, der als Astronom und Kalendermacher gleichermaßen angesehen war. Gemeinsam gelang es ihnen, mit dem Erwerb des Privilegs die Buchhändler und Buchdrucker auszuschalten, die das Absatzgebiet bisher beliefert hatten. Im Spätherbst des Jahres 1700 waren sie mit den neuen Kalendern für das Jahr 1701 auf dem Mark.

Die von der Societät gefertigten Kalender entsprachen weitgehend den bisher in Brandenburg vertriebenen Sorten; sie knüpften so an die Nutzungsgewohnheiten der Abonnenten an. Die großen Kalender bestanden aus den Rubriken (Kalendarium), dem Anhang, einem einheitlichen Grundtext mit vielen Hinweisen und dem Jahrmarktverzeichnis. Die kleinen Kalender waren wie Taschenkalender oder Wandkalender für Kontor oder Werkstatt auf den täglichen Bedarf ausgerichtet. Diese Kalenderarten wurden einheitlich für alle Hohenzollern-Provinzen herausgegeben. Für das Herzogtum Preußen erschienen zwei weitere "große" und "kleine" Kalender: Die Preußischen Haus- und Geschichtskalender im Quartformat waren eine Verbindung von Haushaltungs- und historischem Kalender einerseits und preußischem Sedezkalender andererseits. Von 1704 an erschien der Berliner Adreßkalender, der auf das Prestigebedürfnis der Hofgesellschaft des neu gekrönten preußischen Königs abgestimmt war.

Absatz, Einnahmen und Erlöse (in Thalern) der großen und kleinen Kalender verdeutlichen den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens - zum Vergleich: der Astronom Kirch erhielt 500 Thaler Jahresvergütung bei freier Wohnung im Observatorium. (1)

 

Jahr Auflagenhöhe Absatz Verkaufsanteil Einnahmen (Thl.) Erlös.(Thl.)
1701 111.000 70.336 63 % 6.348 2.192
1704 111.908 83.878 73 % 6.158 2.860
1708 108.370 99.132 91 % 5.708 3.964


Nicht selten mußte die Societät ihre ganze Kraft dem rechtzeitigen Erscheinen der Kalender widmen. 1765 verpachtete sie deshalb den Vertrieb der Kalender an den Hofrat Gravius. Während die Akademie im Eigenvertrieb zuletzt nur einen Erlös von 13.000 Thalern erzielten konnte, erhöhten sich die Einnahmen durch Gravius im Jahre 1765 bereits auf 16.000 und im Jahre 1778 auf 23.000 Thaler. Bis 1811 blieb das Kalender-Patent die wichtigste Einnahmequelle der Akademie.

(1) Hans-Stephan Brather, Leibniz und seine Akademie, Berlin 1993:256-258

Societätspräsident will Nachwuchs fördern
"Man befindet anjezo nur alzu viel, dass es sehr an jungen Leuten fehle, so zur wahren Erudition gelangen, oder auch nur den Weg dazu gehen und Lust dazu haben"
beklagt Leibniz - freilich nicht ohne zu wissen, wer helfen kann: der Präsident. (1)

(1) G.W. Leibniz, Kurzes wohlgemeyntes Bedencken vom Abgang der Studien und wie denselben zu helfen ..., in: A. v. Harnack, Geschichte der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin 1900, II:216.

Junge Leute
Wie man die hochnötige Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung der Jugend des Landes bewerkstelligen könne, erläuterte Leibniz in einem Gutachten vom 14. Mai 1711 seinem Auftraggeber, dem Königlich Preussischen Staatsminister von Ilgen. Eingebettet war diese Initiative in den größeren Zusammenhang der Verwissenschaftlichung des wachsenden Staatsapparates.
Einer Analyse der deplorablen Situation der Universitätslehre sowie der Beschreibung der an die Studenten in den unterschiedlichen Fächern zu vermittelnden Kenntnisse ließ er den Vorschlag folgen, zur Hebung studentischer Motivation wie auch der Fähigkeiten der Beamten bei der Besetzung von Stellen stets dem wissenschaftlich geschulten Bewerber den Vorzug zu geben. Daß sich dieser Vorschlag langsamer durchgesetzt hat als die Zweifel, daß "das Amt den Man machen werde", liegt in der Natur des Institutionenwandels.

Wilhelm Pinder

Ein Foto der "Kundgebung der deutschen Wissenschaft", auf der im November 1933 Vertreter der Professorenschaft den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund begründeten, zeigt neben dem präsidierenden Martin Heidegger den Kunsthistoriker Wilhelm Pinder in einer Haltung, die auszudrücken scheint, daß ihm der Vorsitz gebührt hätte. Es war nicht das einzige mal, daß Pinder bei derartigen Anlässen als eine der Größen der deutschen Wissenschaft geladen war, und diese Wertschätzung im "Dritten Reich" liegt wie ein Schatten über seinem Ruf.

Seine Karriere war ohne Beispiel. 1903 über romanische Architektur promoviert, wurde er bereits 1905 Professor in Würzburg, um nach weiteren Professuren in Darmstadt, Straßburg, Breslau, Leipzig und München schließlich ab 1935 den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Berliner Universität zu besetzen. Er war Mitglied von insgesamt fünf Akademien, darunter auch der Preußischen Akademie der Wissenschaften.

Pinders öffentliches Ansehen gründete besonders auf seinen Vorlesungen, die ein rhetorisches Ereignis gewesen sein müssen, das ein großes und teils außeruniversitäres Publikum anzog. Auch seine Schriften wirkten über das Fach hinaus. Auf sein 1926 erschienenes Buch über das "Problem der Generationen in der Kunstgeschichte Europas" haben sich so unterschiedliche Soziologen wie Ortega y Gasset und Karl Mannheim bezogen. Pinder hatte die betuliche Abfolge des "Gänsemarsches der Stile" in einen Kampfplatz verwandelt, der sich nicht nur zwischen den Generationen, sondern auch unter den Gruppen verwandter Jahrgänge abspielte, weil sie die eigene Zeit als jeweils grundverschieden wahrnahmen. In seinem 1928 vorgelegten Aufsatz über das Problem der Generationen lehnte Karl Mannheim Pinders unterschwelligen Biologismus zwar ab, dessen Konzept der "Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen" jedoch hielt er als Krönung einer durch Wilhelm Dilthey und Martin Heidegger angelegten Kritik des linearen Zeitbegriffs für "geradezu genial".
Zwei Jahrzehnte später zögerte Richard Hamann, sein Nachfolger auf dem Berliner Lehrstuhl, nicht, den am 12. Mai 1947 verstorbenen Pinder ebenfalls als "genial" zu bezeichnen, aber dieser Wertschätzung standen nun vernichtende Urteile gegenüber, die ihn als "Kunstpapst des Nationalsozialismus" oder als "Kunsthistoriker Hitlers" titulierten. Pinders Schriften wurden seither verdrängt und höchstens als Beispiel einer Sprache, die das Auge nach hierarchischen und quasi soldatischen Prinzipien zu lenken versucht, diskutiert.

Erst vor gut zehn Jahren haben die Holländerin Marlite Halbertsma und Robert Suckale unabhängig voneinander bei aller Kritik auf Züge verwiesen, die über das Kritisierbare hinausgingen. So paßten die ab 1935 publizierten Bände über das "Wesen und Werden deutscher Formen" zwar nach Stoff und Sprachstil in die Zeit, aber sie widersprachen der herrschenden Kunstdoktrin des Klassizismus. Dieser Distanzierung stand Pinders Wertschätzung des Expressionismus zur Seite. In einem Münchner Vortrag vom August 1933 hat er nach einer Ergebenheitsadresse an die Nationalsozialisten für den Expressionismus geworben und das Bauhaus als Beispiel einer freien, wenn auch unvollendeten Moderne gepriesen. In der Zeitschrift "Kunst und Nation" argumentierte er weiterhin für den Expressionismus, und Ende der dreißiger Jahre gelang es ihm, Georg Kolbe, der nach 1933 zunächst seine Akademie-Professur verloren hatte, als eine Alternative zu Breker und Thorak zu lancieren. Wahrscheinlich wurde Pinders Berufung an die Berliner Universität auch durch Kräfte des Kultusministeriums um Hans Werner von Oppen gestützt, die sich zwischen 1933 und 1937, dem Jahr der "Entarteten Kunst", bemühten, statt des internationalen Neoklassizismus den deutschen Expressionismus zu fördern.

Pinder wurde trotz seiner Bereitschaft, in die NSDAP einzutreten, nie Mitglied; die Bestätigung der Wahl in die Preußische Akademie der Wissenschaften wurde offenbar von Vertretern dieser Partei, ein beispielloser Vorgang, über ein Jahr lang verzögert, und im Dezember 1940 attackierte ihn ein wütender Artikel des "Schwarzen Korps", der Wochenzeitschrift der SS. All dies reicht dennoch nicht zu einer Ehrenrettung. Im Schwanken zwischen unverhohlener Mitarbeit und verhaltener Opposition hat sich Pinder in grandioser Selbstüberschätzung im Glauben gewiegt, durch distanzierte Teilnahme auch steuern zu können. Tatsächlich aber hat er mehrfach die Grenzlinie zwischen der Kritik von innen und der Mittäterschaft überschritten.

Als er 1939 die Wünsche zum 50. Geburtstag Hitlers mit einer Leistungsschau der Kunstgeschichte nach 1933 zu verbinden hatte, sprach er davon, daß das Ausscheiden jüdischer Kollegen das Fach "von allzu begrifflichem Denken" gereinigt habe. Den intellektuellen Preis für diese Art Erfolgsmeldung hatte er selbst bereits bezahlt, so etwa als er auf der Völkerbund-Veranstaltung vom November 1933 die Weihefeste der Nationalsozialisten mit der höchsten Rolle der Kunst verglich, "heilige Gefühle zu gestalten, nicht um betrachtet zu werden, sondern da zu sein". Pinder suchte nach einem "Wesen" der Kunst, das er in Termini der Völkerpsychologie umschrieb, um es trotz aller historischen Bindung lebensphilosophisch aus der Zeit zu entheben. Durch seine Theorie der "Sonderleistungen" der deutschen Kunst vermochte er die Ideologie des "Sonderwesens" der Deutschen auf eine besonders suggestive Weise zu vertreten, und noch 1944 hat er betont, daß hierin der Grund liege, daß die Deutschen "die ewigen Rebellen Europas heißen".

Angesichts derartiger Denkmuster vermag sich auch aus dem Abstand von einem halben Jahrhundert eine unbefangene Sicht seiner Leistung nicht einzustellen, und auch die neutralste Würdigung seiner zweifellos überragenden Begabung bleibt verdüstert. Seine Beschreibungen, wie sie etwa die ersten Lieferungen des "Handbuches der deutschen Plastik" (ab 1914) aufweisen, suchen in der Sicherheit des Blickes und der "Vergegenwärtigung" der Form ihresgleichen, und seine sprachliche Erfassung von optischen und körperlichen Raumerfahrungen wird selbst seine schärfsten Widersacher beeindrucken. Vor allem aber hat ihn die Plastizität seines Denkens Metaphern von suggestiver Bildkraft erfinden lassen. Hierzu gehört etwa sein Begriff des Augenblicks, der für ihn Zeit"punkt" nur in dem Sinn sein kann, daß er als Linie in die Tiefe führt, also Endpunkt eines Lotes ist. An dieser Tiefenlinie aber hängen Flächen gemeinsamer Zeitprägung, die im Verein mit Nebenschichten den Raum eines "Zeitwürfels" bilden, in dem sich im Sinne der Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen unausdenkbar viele Möglichkeiten von inneren Kreuzungen, Schraffuren, Überlagerungen und Abstoßungen ergeben. Pinder hat sein Konzept der Generationen rückblickend wohl auch aus dem Grund als seinen bedeutendsten Beitrag gewertet, weil seine Generation das Konfliktpotential des eigenen "Zeitwürfels" in ungeahnte Extreme getrieben hatte.

Zu den überraschenden Momenten Pinders gehörte, daß er auf die Medien weitaus bewußter reagierte als viele seiner Kollegen. Seine Schriften weisen neben voluminösen Fachbüchern auch knapp kommentierte, erschwingliche Fotobände auf, die einen neuen Typus des Kunstbuches durchgesetzt haben. Rechnet man Pinders "Blaue Bücher" hinzu, so zählen seine teils auch nach dem Krieg immer wieder aufgelegten Veröffentlichungen nach Millionen. Es ist kein Zufall, daß er zur Verbreitung der Essenz seiner Methode auch die Form eines Lehrfilms wählte.

Pinder gehörte zu jenen Intellektuellen, die ihre Befürwortung des "Dritten Reiches" mit Sympathie für die klassische Moderne und Sinn für die Massenkultur verbanden. In diesen Widersprüchen liegt die Wurzel einer Irritation, die zögern läßt, den "Fall" Pinder unter den gewohnten Beurteilungsmustern ad acta zu legen.

Horst Bredekamp

Akademiegebäude mit DDR-Beflaggung

"Die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin ... ist eine wissenschaftliche Institution der Deutschen Demokratischen Republik, die in Theorie und Praxis die Einheit der Wissenschaft verwirklicht. Als Forschungsakademie konzentriert sie ihr Forschungspotential auf prognostisch abgeleitete, strukturbestimmende Gebiete der Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Sie ... erfüllt ihre Aufgaben auf der Grundlage der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates sowie der Verordnungen und Beschlüsse des Ministerrates."

Zit. n. Verordnung über das Statut der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 20. Mai 1969, §§ 1 und 2.

Deutsche Akademie der Wissenschaften
Das Statut von 1969 bildet den Abschluß eines zwei Jahrzehnte andauernden Veränderungsprozesses, in dem die Akademie in die wissenschaftspolitische Landschaft des 'realen Sozialismus' der DDR eingegliedert wurde.

Bereits in der zweiten Hälfte der Fünfziger Jahre hatten aus der UdSSR zurückgekehrte Spezialisten die Forschungsorganisation der DAW generell in Frage gestellt. Auf dem Gebiet der Natur- und Technikwissenschaften sollten effiziente Forschungsstrukturen hergestellt werden. 1957 wurde deshalb den Klassen die Leitung der Institute dieser Fachrichtungen entzogen und mit der Forschungsgemeinschaft der naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Institute der Akademie (FG) ein neuer, nahezu selbständiger Forschungsverbund unter dem Dach der Akademie gebildet, dessen Leitung einem Vorsitzenden oblag, der gleichzeitig Vizepräsident der Akademie war.
Innerhalb den übrigen Bereiche der Akademie, insbesondere bei der geisteswissenschaftlichen Forschung, wollte der Parteiapparat beim Zentralkomitee der SED nun "allmählich Ordnung" schaffen. 1958 wurde mit Werner Hartke, dem Rektor der Humboldt-Universität erstmals ein SED-Mitglied Präsident, der den konsequenten Auf- und Ausbau der Parteiorganisation innerhalb der DAW förderte.

Die "Zweigleisigkeit" in der Arbeit der Akademie, die durch den gesamtdeutschen Charakter der Gelehrtengesellschaft und ihre konkrete Funktion im Wissenschaftsgefüge der DDR gegeben war, wurde im Sommer 1962 nach dem Mauerbau beendet: "Die Deutsche Akademie der Wissenschaften ist in eine sozialistische Akademie umzugestalten." Folgerichtig wurde die Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft der gesellschaftswissenschaftlichen Institute (AG) 1963 nach dem Muster der FG vollzogen. Der mit diesen Veränderungen eingeleitete Prozeß der administrativen und fachlichen Trennung der Gelehrtengesellschaft von ihrem Forschungspotential fand in den folgenden Jahren seine konsequente Fortsetzung. Er erreichte 1968 in der Bildung der Forschungsbereiche, die an die Stelle der beiden Gemeinschaften traten, seinen Abschluß. Bis dahin noch erhalten gebliebene traditionelle Strukturen wurden gänzlich aufgehoben; bestehende Institute der Akademie vollständig umstrukturiert, insbesondere durch die Bildung von Zentralinstituten.

Karl Vossler

Der große italienische Sprachwissenschaftler Benvenuto Terracini (1886-1968) gab noch 1949 in einem Überblick über die Tendenzen der Sprachwissenschaft der Überzeugung Ausdruck, daß die Linguistik des 20. Jahrhunderts eine Vosslersche Wissenschaft werden würde: "la linguistica 1900" war für ihn die von Karl Vossler zu Beginn des Jahrhunderts theoretisch begründete Richtung der Sprachwissenschaft. Mochte dies in der Mitte des Jahrhunderts noch eine mögliche, wenn auch sehr europäische und sehr romanische Sicht auf die Linguistik sein, so mutet uns eine solche Einschätzung am Ende des Jahrhunderts an wie ein Urteil von einem anderen Stern. Man kann sich heute kaum etwas vorstellen, was der aktuellen Linguistik ferner steht, als gerade die von Vossler als "idealistisch" bezeichnete Sprachwissenschaft. Ja, es ist eigentlich noch schlimmer: die meisten Linguisten heute würden den Vosslerschen Bemühungen vermutlich überhaupt den Prädikator "Sprachwissenschaft" absprechen.

Dabei hatte sich der 1872 geborene junge Gelehrte 1904 in einer Aufsehen erregenden Schrift "Positivismus und Idealismus in der Sprachwissenschaft" in der Tat leidenschaftlich für eine Erneuerung der alten naturwissenschaftlich orientierten, historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft eingesetzt. Und er stand in seiner Opposition gegen das alten Paradigma auch nicht allein. Zu Beginn des Jahrhunderts regte sich allenthalben Protest gegen die dominante diachrone Sprachwissenschaft, deren Verdienste zwar nicht geleugnet wurden, die man aber als einseitig empfand. Der fulminante Erfolg der Linguistik des 19. Jahrhunderts war nämlich einer extremen Reduktion des Sprachlichen auf die Sprach-Entwicklung, auf das Materielle und auf das Beobachtbare (das Positive) geschuldet. Nun wurde die systematische Beschreibung aktueller Sprachzustände und die Berücksichtigung des Geistigen der Sprache gefordert. Vossler war aber der erste und in gewisser Hinsicht der radikalste von allen Neuerern. Zwar blieb er mit seinen Vorschlägen innerhalb der historischen Dimension, er wollte aber, daß die Sprachwissenschaft die Sprache nicht mehr wie eine anonym wachsende, geistlose Pflanze behandelt, sondern wie ein großes Kunstwerk, das in konkreten historischen und kulturellen Kontexten von schöpferischen Individuen und Nationen gestaltet wird, und daß sie auch die Sprache dort aufsucht, wo sie zu ihren poetischen Höhepunkten gebracht wird, in der Dichtung und in der Literatur. "Sprache als Schöpfung und Entwicklung" ist der zweite sprechende Titel des revoltierenden Sprachtheoretikers Vossler.

Mit seinen radikalen Forderungen wollte er im Grunde die Sprachwissenschaft überhaupt zu einer anderen - poetischen - Sprachauffassung, zu anderen sprachlichen Gegenständen, den literarischen Texten in ihren kulturellen Kontexten, und damit in eine andere Familie von Wissenschaften, in die ästhetischen Disziplinen, führen. Ihm schwebte eine philosophisch geleitete, in einem echten Sinne "kulturwissenschaftliche" Linguistik vor. Dies war natürlich zu viel, und daher hat sich die Linguistik diesen revolutionären Vorschlägen letztlich auch nicht angeschlossen. Sie öffnete sich zwar - sehr zögerlich, das 19. Jahrhundert dauert sprachwissenschaftlich mindestens bis 1950 - den Vorschlägen der Deskriptivisten und Synchroniker, also z.B. Bloomfields oder Saussures, sie verblieb aber insgesamt im "Positivismus" also unter der naturwissenschaftlichen Forschungslogik. Die Zunft verweigerte Vossler die Gefolgschaft in die Dichtung und in die Kultur.

Dabei hatte Vossler auch ein wunderbares Beispiel für das vorgelegt, was ihm vorschwebte. "Frankreichs Kultur im Spiegel seiner Sprachentwicklung" (1913), später als "Frankreichs Kultur und Sprache" umgearbeitet, ist ein Portrait der französischen Sprache anhand der Entwicklung der französischen Literatur und Kultur. Vossler löst mit diesem Buch eine Forderung ein, die Wilhelm von Humboldt 1820 in seiner ersten Akademierede aufgestellt hatte, nämlich diejenige, den "Charakter" der Kultursprachen anhand ihrer literarischen Entwicklung zu beschreiben. Den "Charakter" einer Sprache zu erfassen, sei die höchste Aufgabe der Sprachwissenschaft, der "Schlußstein" des vergleichenden Sprachstudiums. Genau dieses "Höchste" versucht Vossler nun für das Französische. Als Denkmal der Begegnung eines genialen deutschen Gelehrten mit dem "Genie" der französischen Sprache ist "Frankreichs Kultur und Sprache" gewiß ein bleibend großes Buch und insofern vielleicht doch ein Modell für eine - wenn auch gänzlich unzeitgemäße - mögliche Annäherung an Sprache. Aber als Sprach-Wissenschaft wird es von den Linguisten heute wohl nicht mehr betrachtet. An der von Vossler besetzten Schnittstelle zwischen Sprachwissenschaft und Literaturgeschichte klafft daher auch ein immer tiefer werdender Graben. "Geist und Kultur in der Sprache" (1925) - so der programmatische Titel eines weiteren Vosslerschen Buches - ist kein Klassiker der modernen Linguistik geworden.

Demgegenüber sind Vosslers Werke über die großen Dichter der romanischen Völker doch klassische Bücher geblieben. Vossler hat ein gewaltiges literaturgeschichtliches Opus hinterlassen, das die gesamte Romania betrifft: glänzend geschriebene Studien über die provenzalischen Troubadours, über Dante, über Leopardi, über La Fontaine, über Racine, über Lope de Vega, um nur einiges zu nennen. Der erste Schwerpunkt des großen Romanisten war Italien, dem er durch mehrere Aufenthalte, durch seine erste Frau und die Freundschaft mit Benedetto Croce lebenslang zutiefst verbunden blieb. Die unglücklichen deutsch-französischen Beziehungen lassen Vossler sich nach dem Ersten Weltkrieg abwenden von Frankreich, dessen "Kultur und Sprache" er doch wie kaum ein anderer Deutscher ein so eindrucksvolles Denkmal gesetzt hatte. Statt dessen wird ihm die spanische Welt seit der Mitte der zwanziger Jahre immer wichtiger.

Dabei war Vossler alles andere als einer jener reaktionären Romanistikprofessoren und Französischlehrer, bei denen diese typische Abwendung von Frankreich und Hinwendung zum Spanischen nach dem Ersten Weltkrieg mit der Neigung zum Faschismus einherging. Vossler war im Gegenteil einer der ganz wenigen deutschen Professoren, der immer wieder dem delirierenden Nationalismus und vor allem dem virulenten Antisemitismus der damaligen Studentenschaft öffentlich entgegentrat. Mutig wie kaum einer hat er sich als Rektor der Münchener Universität schon in den zwanziger Jahren dem nationalsozialistischen Ungeist entgegengestellt. Die Nazis haben dem widerständigen Vossler daher auch 1938 die weitere Lehre an der Universität verwehrt. Nach dem Krieg hat Vossler der Münchener Universität noch einmal als Rektor vorgestanden. Seine Rede zu Ehren der Geschwister Scholl und der anderen Nazi-Opfer an der Universität ist der würdige und ergreifende Abschluß seiner zahlreichen universitätspolitischen Reden. Erst kurz vor seinem Tod ist Vossler, der natürlich schon viele Jahre lang Mitglied der Bayerischen und anderer Akademien war, Mitglied der Berliner Akademie geworden. Der große Romanist ist am 18. Mai 1949 gestorben.

Jürgen Trabant

Friedrich II. hatte in den Statuten von 1744 als eine der Aufgaben der Akademie die öffentliche Ausschreibung von Preisaufgaben bestimmt. (1)

Auf konkrete Fragen, die das Alltagsleben meist unmittelbar berührten - von der Verbesserung der Bienenzucht und des Ackerbaues im Lande bis zum politisch, ethisch oder weltanschaulich 'korrekten' Verhalten -, sollte die Akademie das beste Wissen der Zeit einsammeln, begutachten, ausgezeichnen und zur weiteren gedeihlichen Aufnahme von Land und Leuten veröffentlichen.
Es ist eine gut bestätigte Erfahrungstatsache, daß hervorragenden Mitgliedern in wissenschaftlichen Organisationen ein besonderes Gewicht bei der Auswahl der wichtigsten Fragen zukommt, zumal in Akademien, in denen es um nichts weniger geht als den inneren Zusammenhalt der Welt und alles dessen, was der Fall ist. Der Akademiepräsident Maupertuis und der berühmte Leonhard Euler formulierten deshalb die erste philosophische Preisfrage. Sie wollten von der gelehrten Welt wissen, ob die Monadenlehre von Leibniz in der Lage ist, die zentralen Phänomene des Universums, vor allem den Ursprung und die Bewegung der Körper ausreichend zu erklären. Mit der Newtonschen Physik stand ein potentes neues Paradigma bereit und die Haltung gegenüber den beiden Systemen war für die Aufnahme in die Akademie durchaus von Bedeutung.

Im Mai 1747 traf die Akademie ihre Entscheidung: zum Träger des ersten Preises wurde der junge Advokat und später als Kameralist zu Ansehen gelangende Johann Heinrich Gottlob von Justi aus Sangerhausen gewählt. Der Preiswürdigkeit seiner den Gang der Philosophie nicht nachhaltig beeindruckenden Arbeit hat es wohl nicht geschadet, daß er, ganz den Ansichten und Absichten von Maupertuis und Euler entsprechend, die Monadenlehre von Leibniz ablehnte. Weil freilich letzte Fragen sich durch ihre Unbeantwortbarkeit auszeichnen, setzte die Akademie das Thema noch mehrfach auf die Tagesordnung. (Mehr darüber nächste Woche).

1) Vgl. Adolf Harnack: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin 1900, Bd. II:268.

Philosophische Preisaufgaben im 18. Jahrhundert (Auswahl)
(Die Preisträger sind unterstrichen; sind mehrere Namen unterstrichen, wurde der Preis geteilt; Autoren ohne Unterstreichung haben das "Accessit", eine lobende Erwähnung, erhalten.)

1747  Darstellung und Kritik der Monadenlehre Justi
1751 Pflichten, die uns die glücklichen und unglücklichen Begebenheiten in der Welt auferlegen Kaestner
1755  Über das System Pope Reinhard; Lessing; Mendelssohn
1759 Einfluß der Meinungen auf die Sprache und umgekehrt Michaelis; Hamann
1763  Über die Evidenz in metaphysischen Wissenschaften Mendelssohn; Kant; Abbt
1768 Eloge auf Leibniz Bailly; Kaestner 
1768 Über die natürlichen Neigungen Cochius; Garve; Meiners
1771 Über den Ursprung der Sprache Herder; Tetens; Tiedemann; Jerusalem; Hamann
1775 Verfall des Geschmacks Herder
1776 Erkennen und Fühlen der menschlichen Seele Eberhard; Herder
1779  Ursprüngliche Kraft Pap de Fagaras; Hißmann
1780 Einfluß der Regierungen auf die Wissenschaften und umgekehrt Herder
1780 Zulässigkeit des Volksbetrugs Becker; Castillon; Gebhard
1783 Pflichten des Historikers - Preis des Abbé Raynal --
1784 Rolle der französischen Sprache Schwab; Rivarol
1785 Über den Aberglauben Ancillon
1795 Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff  Schwab; Abicht; Reinhold; Kant

Als Wilhelm Fröhner 1910 von den Mitgliedern der Akademie ohne Gegenstimme zum korresponierenden Mitglied gewählt wurde, stand sein 75. Geburtstag kurz bevor. Man wird hieraus wohl eher auf Anerkennungs- und Dankespflichten einem Gelehrten gegenüber schließen, der sein Leben dem Sammeln und Erschließen althistorischer Sachzeugnisse gewidmet hat, als vermuten, die Akademie habe für die Forschung in ihren althistorischen Großvorhaben tatkräftige Unterstützung gesucht.

Wilhelm Fröhner hatte in Freiburg, Bonn und Göttingen Kunst studiert. Schon während dieser Zeit erhielt er vom Großherzog von Baden den Auftrag, die Großherzoglichen Sammlungen zu katalogisieren. Fröhner führte die Arbeit zur großen Zufriedenheit des Publikums und seines Auftraggebers aus. Zum Dank finanzierte dieser ihm 1859 einen sechsmonatigen Studienaufenthalt zur archäologischen Ausbildung in Paris. Wie manch anderer kehrte Fröhner nicht mehr in die Enge des deutschen Kleinstaates zurück. Er blieb lebenslang in Paris - und machte Karriere.

Sehr schnell eröffnete sich ihm die Möglichkeit, in der Abteilung der griechisch-römischen Altertümer der kaiserlichen Museen zu arbeiten; in wenigen Jahren war er zum ersten Konservator aufgerückt. Daneben wirkte er zwischen 1863 und 1866 als Vorleser für Kaiser Napoleon III. Im Zusammenhang mit dem deutsch-französischen Krieg verließ Fröhner 1870 das Museum. Als Privatgelehrter "widmete sich nun ganz der Herausgabe antiker Monumente, der Katalogisierung von öffentlichen und privaten Sammlungen und der Abfassung einer Menge kleinerer Arbeiten archäologischen, historischen und numismatischen Inhalts. So entstand das monumentale Werk über die Trajanssäule, 5 Foliobände mit 220 Tafeln, auf denen die Bilderchronik der dakischen Kriege Trajans zum ersten Male nach den Abgüssen vom Original veröffentlicht wurde. Dann unter dem Titel Les musées de France eine Beschreibung auserlesener und größtenteils unedirter Marmorwerke, Bronzen und Terracotten mit 40 mustergültigen Tafeln; ferner eine lange Reihe reich illustrirter Kataloge privater Sammlungen". (1)

Die von Conze, Dressel, Hirschfeld, Wilamowitz-Moellendorff und Vahlen unterzeichnete Laudatio der Philosophisch-historischen Klasse hob neben der Bedeutung einzelner wissenschaftlicher Werke Fröhners "große Begabung, sein reiches Wissen, seine scharfe Kritik und seine geistvolle Darstellungsweise" hervor. Nicht zuletzt aber stattete sie den Dank ab für die vielfältige Unterstützung, die Fröhner den Inscriptiones Graecae - eines der zentralen geisteswissenschaftlichen Großprojekte der Akademie dieser Zeit - hatte angedeihen lassen.
Hochbetagt starb Fröhner 1925 in Paris.

(1) Laudatio für die Wahl von Wilhelm Fröhner als Korrespondierendes Mitglied der Kgl. Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, gehalten am 2.6.1910 in der Philosophisch-historischen Klasse, Archiv BBAW, II-III, 133, Bl. 187.

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