Workshop "Das Europa der Diktatur. Vichy und das Recht" (Teilnahme nur auf Einladung möglich)

16. - 19. September 2004

Tagungsstätte der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Schloss Blankensee

Das Europa der Diktatur. Vichy und das Recht

Trotz des Mythos der freiwilligen Verschleierung eines beschämenden Teils der französischen Geschichte ist die Bibliographie zu Vichy sehr umfangreich. Nicht nur Allgemeinhistoriker haben das Terrain ausführlich studiert (siehe besonders das grundlegende Buch von Paxton, la France de Vichy, 1974 in französischer Übersetzung erschienen), auch Geschichtswissenschaftler der Wirtschaft und der Justiz haben sich mit dem Thema eingehend beschäftigt (762 Referenzen sind in der Datenbank der französischen Universitätsbibliotheken nachgewiesen).

Die Wirtschaftshistoriker haben gezeigt, wie das Regime von Vichy widersprüchliche Elemente aufgewiesen hat. Auf der einen Seite kann man eine starke Sorge um die industrielle Modernisierung feststellen (ein Teil des Personals bestand aus Technokraten). Aber auf der anderen Seite, unabhängig vom offiziellen Diskurs, wurde das bestehende ökonomische und soziale System beibehalten, ohne das irgendeine strukturelle Transformation vorgenommen wurde. Man kann hingegen sehen, dass zumindest auf der Ebene des Diskurses dieses Regime einen gewissen Vorbehalt gegenüber dem Liberalismus nicht versteckt, einem Liberalismus, den es für unfähig hält, auf die Bedürfnisse zu reagieren, die nach dem 1. Weltkrieg entstanden sind;  auf der anderen Seite stellt sich das Regime ein harmonischeres System vor, das auf "Interventionen", einer "neuen Organisation", einen "Plan" beruht. Auf diese Weise erscheint das Frankreich von Vichy als eine sich anverwandelnde Diktatur, dass seine großen Nachbarn versucht, zu initiieren, dass sich in einer Periode engagiert, die einen zwingenden Rahmen erfordert, dass gezwungen ist, einen Diskurs zu formen, der widersprüchlichen Zielen dient, dass von monarchischen und christlichen Traditionen imprägniert ist, dass sich auf eine bäuerliche Klasse stützt, die nur schwierig von einer Ideologie zu überzeugen ist, die für eine  rurale Ökonomie schlecht zugeschnitten ist, schon allein deswegen, weil diese das Heraustreten leicht mobilisierbarer Massen nicht favorisiert. Schliesslich bleibt nur eine einzige Realität übrig; der politische Autoritarismus mit seiner Mission die bedrohten Ökonomien zu lenken.

Die Rechtshistoriker haben ebenfalls über Vichy gearbeitet, etwa über die Gerichtsbarkeit (siehe die Tagungsakten "juger sous Vichy" 1994, und die Arbeiten von Bancaud). Hier erkennt man, dass die Nähe zum Regime maskiert ist durch ein Bild der "Zurückhaltung und Richtigkeit". Es sind im übrigen die gleichen Richter, die man vor, während und nach Vichy findet, mit Ausnahme der jüdischen Richter. Man erkennt eine technizistische Vorsicht. Auch etwa bei den Advokaten, deren aktive und passive Komplizenschaft Gegenstand eines Kolloquiums im Jahre 2000 war. Nicht zu vergessen auch das Buch von Robert Badinter, un antisémitisme ordinaire: Vichy et les avocats juifs, Fayard, 1997. Die "Justiz der dunklen Jahre", das Verhalten in den verschiedenen Justizberufen, die Gerichtsbarkeit selbst, der Staatsrat, die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterVichy, die Schwurgerichte, die Ausnahmegerichte - all dies ist inzwischen Gegenstand rechtshistorischer Untersuchungen.

Aber man muss eine große Lücke hinsichtlich der Probleme des Rechts selbst notieren. Hier erscheinen lediglich sehr spezielle Arbeiten, die nicht die Rechtswissenschaft als Ganzes in den Blick nehmen. Das Regime von Vichy ist charakterisiert durch eine große Vielzahl von Texten auf allen Gebieten, von Texten, die man Gesetz, Verordnungen oder Regeln nennen kann, je nach dem, wie man deren Legitimität beurteilt. Jedenfalls sind dies Texte, die Frankreich während vier Jahren regiert haben und z.T. in unserem  Recht bis heute überdauert haben. Das antisemitische Recht stellt nur einen sehr kleinen Teil dieser Reglementation dar.

So ist das Ziel der Tagung, eine Bilanz der Forschung über das Recht von Vichy zu ziehen und sogleich die verschiedenen Rechtsgebiete in den Blick zu nehmen: öffentliches Recht, Erbrecht, Familienrecht, Boden- und Bauernrecht, Strafrecht, Handelsrecht, Wirtschaftsrecht, Vertragsrecht, Eigentumsrecht. Die Tagung versammelt Wissenschaftler gemäss dem folgenden Programm.  

 


 
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Veranstaltungszeitraum:

ganztägig

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