
Voltaire unterhält auf dem Titelbild den König, der aufmerksam, aber leicht distanziert auf den Philosophen blickt. Andere am Tisch wenden sich ab – offenbar lieber im Gespräch mit anderen. Und der erfahrene Militär in Zivil zwischen Monarch und Voltaire denkt sich seinen Teil. Nicht alle mochten Voltaires pointierte Art. Heute funktioniert sowohl die Politikberatung der Akademie als auch der Dialog mit der Öffentlichkeit ganz anders als vor 325 Jahren. Und doch blicken wir in zwei Jubiläumswochen auf solche Anfänge zurück, weil wir glauben, daraus für Gegenwart und Zukunft lernen zu können.
Unsere Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften kann in diesem Jahr ihr 325-jähriges Jubiläum feiern – obwohl sie erst im vorletzten Jahr ihr 30-jähriges begangen hat. Gewissermaßen ist sie knapp der Pubertät entronnen und als „vormals Preußische Akademie der Wissenschaften“ zugleich eine würdige Dame. Trotz aller Reformenergie steckt in ihr noch vieles Preußisches. Bei aller Ambivalenz ein spannendes Erbe: Etwa die großen Editionsprojekte, mit denen das Bild der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit stets neu gezeichnet wird – eine Idee der Berliner Altertumswissenschaft des vorletzten Jahrhunderts, heute realisiert mit KI. Und seit den Gründungsdokumenten von Leibniz leitet uns die hochaktuelle Idee, Natur und Kunst, Texte und Objekte nicht isoliert zu betrachten, ob am Gendarmenmarkt, Unter den Linden oder am Neuen Markt in Potsdam.
Und dann ist da ein französisches Jahrhundert der Akademie, wie auf dem Titelbild sichtbar: Fromme Metaphysiker und freche Agnostiker streiten öffentlichkeitswirksam, Aufklärung betrifft auch die Naturwissenschaften, weil man prüfen und nachmessen kann, etwa ob die Polkappen abgeflacht sind oder nicht. Eine Akademie im Herzen Berlins als geistiger Tauschplatz zwischen Deutschland und Frankreich, als Streitraum der Pariser Wissenschaft im Exil: So lebte Europa als Wissenschaftsraum. Das feiern wir unter dem Motto „rendez-vous“ – und überlegen, was wir davon heute, in einem von Renationalisierung, Gegen-Aufklärung und Provinzialismus bedrohten Europa, aufleben lassen können.
Denn wir feiern ja nur, um etwas für die Jahre bis zur nächsten Feier zu lernen… Seien Sie von Herzen eingeladen!