Das Ziel des Projektes bestand darin, sich abzeichnende Entwicklungspfade industrieller Produktionssysteme unter dem Einfluß neuer Technologien und Organisationsformen im Hinblick auf Chancen künftiger Beschäftigung im industriellen Sektor darzustellen und daraus mögliche Handlungsorientierungen für Entscheidungsträger in Unternehmen und Politik abzuleiten.

Das Arbeitsgruppenprojekt hatte daher neben einer technologischen auch eine unternehmensbezogene und darüber hinaus eine volkswirtschaftliche Dimension. Korrespondierend hierzu gliederte es sich in wechselnde Schwerpunktvorhaben, die durch ausgewählte Querschnittsthemen und unter Hinzuziehung externer Experten ergänzt wurden. Damit angesprochen waren Fragestellungen zu technischen Entwicklungslinien und Branchenperspektiven genauso wie zu Aspekten des Innovationsmanagements und der Innovationspolitik.

Die Arbeitsgruppe führte Wissenschaftler der Produktionswissenschaft, der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, der Wirtschaftshistorik sowie der verfahrenstechnischen und elektrotechnischen Ingenieurwissenschaften themenspezifisch zusammen und stellte Forschungsergebnisse aus Wissenschaft und Industrie in einen Zusammenhang.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe sind 1997 in der Reihe Forschungsberichte der Interdisziplinären Arbeitsgruppen Band 4 unter dem Titel Optionen zukünftiger industrieller Produktionssysteme im Akademie Verlag erschienen. Herausgeber des Bandes ist Günter Spur. Auf einer Pressekonferenz im Dezember des Berichtsjahres präsentierte die Arbeitsgruppe der interessierten Öffentlichkeit den Abschlußbericht.

Mit ihren Forschungen hat die Arbeitsgruppe versucht, zu der seit langem kontrovers geführten Diskussion über wirtschaftspolitische Optionen für den Industriestandort Deutschland einen interdisziplinären Beitrag zu leisten. Ausgehend von einer historischen Betrachtung zur Entwicklung industrieller Produktionssysteme wurden die Einflüsse neuer Technologien auf Produktion, Unternehmensführung sowie Organisation beschrieben. Dem Leitbild "Umwelt" und den damit verbundenen Potentialen einer umweltgerechten Produktion kamen dabei besondere Bedeutung zu.

Tiefgreifende Veränderungen ergeben sich gerade in jüngster Zeit durch die voranschreitende Globalisierung der Weltwirtschaft. Die weltweiten technologischen, wirtschaftspolitischen und gesellschaftlichen Veränderungen wirken sich direkt auf die volkswirtschaftliche Entwicklung Deutschlands aus. Diskutiert wurde in dem Zusammenhang die wirtschaftliche und soziale Sicherung durch industrielle Produktion.

In einem weiteren Teilprojekt wurden die Halbleitertechnologie mit ihrer maßgeblichen Rolle für die Weiterentwicklung industrieller Produktionssysteme seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts untersucht. Die Halbleitertechnik hat in zweifacher Weise die heutige Produktionstechnik verändert. Die elektronische Datenverarbeitung löste mit der Entwicklung der numerischen Steuerung den Übergang von der starren zur flexiblen Automatisierung aus. Sie bewirkte damit den größten Rationalisierungsschub in der Geschichte der industriellen Produktion. Im Zuge der informationstechnischen Durchdringung ergaben sich weitreichende Veränderungen in der Struktur von Produktionssystemen.

Andererseits hat die Halbleiter-Planartechnologie einen direkten Einfluß auf die Entwicklung neuer Fertigungsverfahren. In der Mikrotechnik werden herkömmliche Technologien zugunsten modifizierter Methoden aus der Halbleitertechnik ersetzt. Während der Durchdringungsprozeß vielfältiger Anwendungen mit mikroelektronischen Schaltkreisen anhält, beobachtet man gleichzeitig Verbreitungseffekte im Gebrauch von Verfahrenstechnologien der Halbleitertechnik. Aus der hohen technologischen Spezialisierung ist ein Bearbeitungsschema entstanden, das sich zur Miniaturisierung von Baugruppen aller Art eignet. Der bedeutendste Technologieableger ist die Mikromechanik, die eine Herstellung von sehr kleinen, beweglichen, nichtelektronischen Elementen ermöglicht. Die weitere Entwicklung von Mikroelektronik und Halbleitertechnik ist gesamtwirtschaftlich gesehen auch weiterhin von großer Bedeutung.

Die Maschinenbaubranche ein für den Industriestandort Deutschland strategisch wichtiges Anwendungsfeld  bildete den Schwerpunkt weiterer Untersuchungen. Es wurden Handlungsoptionen aufgezeigt, die zu einer nachhaltigen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation im Maschinenbau und damit zur Sicherung der Branche am Standort Deutschland beitragen sollen. Dazu wurden die branchenspezifischen Bedingungen sowie Entwicklungstendenzen des Maschinenbaus analysiert und beschrieben. Eng verknüpft mit den strukturellen Bedingungen des deutschen Maschinenbaus ist seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Im Rahmen des Teilprojektes wurden daher mögliche Ansätze zur Reaktion auf die sich wandelnden Marktanforderungen dargestellt. Als potentielle Ansatzpunkte stehen die technische Leistungsfähigkeit der Produkte, Preis- und Kostenstrukturen, Serviceangebot und Kundendienst sowie Anforderungen an die Unternehmensführung im Vordergrund.

Das Teilprojekt "Energietechnische Optionen industrieller Produktionssysteme" analysierte Energiewandlungsketten von der Roh- zur Nutzenergie und beurteilte optionale Technikvarianten hinsichtlich ihrer Eignung für eine nachhaltige Entwicklung der Energiewirtschaft. Neben einer Beschreibung der Situation bei den Primärenergieträgern und der Endenergienutzung wurde die innerhalb der Energietechnik bedeutsame Bewertungsproblematik ausgehend von der thermodynamischen und technischen Bewertung um gesellschaftlich orientierte Dimensionen erweitert.

Der Untersuchungsschwerpunkt des Teilprojektes "Innovationsförderung und Technologietransfer" konzentrierte sich auf die Frage, welchen Beitrag die Technologie- und Gründerzentren und die aus ihnen hervorgegangenen Kleinunternehmen insbesondere

  • zur Förderung des Technologietransfers,
  • zur Entwicklung und Markteinführung von Produkt- und Verfahrensinnovationen sowie
  • zur Schaffung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen bisher geleistet haben bzw. bei bestimmten Voraussetzungen zu leisten imstande sind.

 

Die inzwischen mehr als 200 Technologie- und Gründerzentren haben sich als Instrumente einer wirtschaftlichen Umstrukturierung und Revitalisierung bewährt und können damit als Option für zukünftige Produktionssysteme betrachtet werden. Allerdings ist das Zentrumsmodell kein Universalrezept; es löst z. B. nicht das Problem der Massenarbeitslosigkeit. Dagegen tragen die Zentren in wachsendem Maß zur Entfaltung eines nachrückenden Wissenschaftler-Potentials bei, zu dem Universitäts- und Hochschulabsolventen ebenso wie hochmotivierte gründungswillige Ideen- und Erfahrungsträger aus der Praxis gehören.

Ausgehend von den historischen Erfahrungen der Industrialisierung bis zu den neunziger Jahren verfolgte ein weiteres Teilprojekt das Ziel, gegenwärtige Fragestellungen der Technikwissenschaften auf die Zeit der Industrialisierung zu übertragen, um aufzuzeigen, welche Erfahrungen über vergleichbare Veränderungsprozesse vorliegen und welche Lösungsmöglichkeiten für auch heute vorhandene Probleme, die sich um solche Optionen ranken, in der Vergangenheit gefunden oder auch verworfen wurden.

Über den Betrachtungszeitraum von etwa 200 Jahren hinweg wurden die jeweiligen Gründe im Hinblick auf die Entscheidung für eine bestimmte Option analysiert. Darüber hinaus wurden zwei Fragen angesprochen, die als Konsequenzen technologischer Optionen angesehen werden können: Der Wandel der Beschäftigungsstruktur mit dem immer wieder auftauchenden Problem der Arbeitslosigkeit sowie die Veränderungen im Verhältnis der Gesellschaft zur Technik. Diese Fragen hängen zum Teil eng mit der Entscheidung für bestimmte Optionen zusammen.

Eine zukunftsorientierte Betrachtung verfolgte das Teilprojekt "Szenarien für den Produktionsstandort Deutschland". Im Rahmen der Szenarien wurden relevante Standorteinflüsse sowie deren potentielle Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt und basierend darauf flexible und "zukunftsrobuste" Strategien, die zu einer Sicherung des Produktionsstandortes Deutschland abgeleitet. Die voraussehbare Nutzungsdauer industrieller Produktionssysteme wurde auf etwa fünfzehn Jahre geschätzt. Dieser Zeitraum bestimmte den Projektionshorizont der Szenarien.

Um im Rahmen einer systematischen Vorgehensweise nachvollziehbare Szenarien zu erhalten, wurde als Methode die Szenario-Technik angewandt, in der sich die Zukunft als ein komplexes System interdependenter Einflußfaktoren darstellt. Diese Sichtweise entspricht den Beziehungsstrukturen des zu untersuchenden Produktionsstandortes Deutschland, der in einem Spektrum wirtschaftlicher, politischer, technischer sowie gesellschaftlicher Wirkzusammenhänge eingebunden ist.

(aus Arbeitsgruppe Optionen zukünftiger industrieller Produktionssysteme, in: Jahrbuch der BBAW 1997, Berlin: Akademie Verlag 1998, s. 215-218)

 

 

 

Kontakt
Dr. Ute Tintemann
Referentin
Referat Arbeitsgruppen
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tintemann@bbaw.d
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