Die „Prosopographia Imperii Romani” (PIR) ist ein Personenlexikon. Es soll im wesentlichen die Führungsschicht des Römischen Reiches in der Frühen und Hohen Kaiserzeit erfassen. Die untere zeitliche Grenze ist die Schlacht von Aktium 31 v. Chr., seit der die monarchische Herrschaftsstruktur für Rom endgültig geworden war; die obere Grenze bildet die Herrschaft Diokletians (284–305), mit der eine wesentliche Änderung im staatlichen und gesellschaftlichen Aufbau des Reiches durchgesetzt wurde.

 

Der in dem Nachschlagewerk behandelte Personenkreis besteht im Einzelnen aus:

  • den römischen Kaisern und ihren Familienmitgliedern,
  • den Angehörigen des Senatorenstandes (wie etwa P. Quinctilius Varus, der in der Schlacht im Teutoburger Wald umgekommen ist, oder dem Geschichtsschreiber Tacitus und seinem Schwiegervater, Cn. Iulius Agricola),
  • den Römern ritterlichen Ranges, soweit sie Aufgaben in der kaiserlichen Verwaltung übernommen hatten (wie beispielsweise dem Präfekten von Iudaea Pontius Pilatus oder dem älteren Plinius, der beim Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. als Präfekt der Flotte von Misenum umkam) und ihren Angehörigen und schließlich
  • allen literarisch für die beschriebene Zeit belegten Personen, soweit sie nicht schon zu einer der bereits aufgeführten Personengruppen gehörten; unter ihnen befinden sich natürlich auch die Dichter und Schriftsteller selbst wie etwa Vergil, Horaz, Ovid und Martial oder Pausanias, Plotin und Plutarch.

 

Aufgenommen sind auch die Angehörigen der regierenden Familien in den von Rom abhängigen Klientelstaaten bzw. unabhängiger Reiche, soweit sie mit Rom in Kontakt standen, so etwa Herodes d. Gr. in Iudaea oder die Könige des Partherreiches.

 

Arbeitsweise

Das Quellenmaterial, aus dem die Nachrichten kommen, ist weitgespannt. Es umfasst die gesamte kaiserzeitliche Literatur, also nicht nur die Geschichtsschreibung, sondern beispielsweise auch die Werke der Dichter, Briefsammlungen, Fachbücher und Juristenschriften. Eine herausragende Rolle spielen ferner Inschriften  in lateinischer und griechischer Sprache sowie Papyri und Münzen. Unter kritischer Berücksichtigung der Sekundärliteratur werden so präzis und kurz wie möglich "Biographien" in lateinischer Sprache erarbeitet, die bei mehreren Zeugnissen und etwas reichhaltigeren Informationen für eine Person eine gewisse standardisierte Form erhalten: am Anfang erscheinen alle außerliterarischen Zeugnisse, die, soweit nötig, auch eine Charakterisierung erfahren, da der Aussagegehalt je nach Art der Quelle sehr unterschiedlich sein kann. Dies gilt vor allem für Inschriften, unter denen sich Dokumente höchst offizieller Art finden, wie Kaiserbriefe, Bürgerrechtsurkunden  oder Meilensteine, ebenso aber auch private Grabinschriften, deren Inhalt leicht von persönlichen Absichten beeinflusst sein konnte.

 

In den Lexikonartikeln wird zunächst der vollständige Name angegeben, so, wie er sich aus den Zeugnissen rekonstruieren lässt (Probeseite ). Dann werden Inschriften, Papyri und Münzen aufgelistet, denen wesentliche Informationen zu entnehmen sind. Auf die Zeugnisse folgen die inhaltlichen Informationen, angefangen mit den verschiedenen Namensformen, in denen eine Person überliefert ist, gefolgt von Hinweisen auf die Herkunft, den Ämtern im staatlichen Bereich, seien sie ziviler oder militärischer Natur, sowie einer Beschreibung der Tätigkeit während der Funktionen, soweit sie bekannt ist. Aufgenommen werden sodann alle verwandtschaftlichen Beziehungen, die, wenn nötig, durch einen Stammbaum  verdeutlicht werden. Ferner werden alle Informationen erfasst, die sich auf Besitz und Vermögen beziehen, auf intellektuelle und literarische Tätigkeit sowie die Verbindung zu den verschiedenen sozialen Gruppen im Reich, vor allem zur Munizipalaristokratie.

 

Auf diese Weise sind in dem Lexikon vor allem die soziopolitischen Führungsschichten des Weltreiches erfasst. Es werden damit die Grundlagen geschaffen für die Erforschung sozialer Strukturen, vor allem der Oberschicht, ebenso wie für die Gewinnung von Erkenntnissen in Politik und Administration des Imperium Romanum; Familienpolitik auf der Grundlage von familiären Verknüpfungen  zu erkennen, wird ebenso ermöglicht wie den Aufstieg und Niedergang von Familien aus Italien und den Provinzen zu verfolgen. Vor allem aber soll das Lexikon dazu dienen, das ungeheuer weit verstreute, auch für Spezialisten nicht mehr überschaubare Quellenmaterial einschließlich der wissenschaftlichen Diskussion zu erfassen und für weiterführende Arbeiten jeglicher Art verfügbar zu machen.

© 2024 Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften