Die Frage nach einer verantwortlichen Praxis wissenschaftlicher Politikberatung in der Bundesrepublik Deutschland ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik in den letzten Jahrzehnten.

Zunehmend wird wissenschaftliche Expertise von Parteien und Interessengruppen direkt aus dem politischen Prozess heraus rekrutiert. Der Vertrauensschwund in eine derart politisierte Politikberatung lässt das Fehlen klarer Regeln, gesetzlicher Grundlagen und Strukturen institutionalisierter Beratung durch die Wissenschaft besonders eklatant werden. Dieses Problem stellt sich um so schärfer, als in Deutschland keine etablierten wissenschaftlichen Institutionen, wie beispielsweise eine Nationale Akademie, existieren, die wie in den USA und anderen europäischen Ländern dieses Defizit kompensieren könnten. Ein ähnliches Desideratum ergibt sich im Hinblick auf Fragen der Qualitätssicherung und Rechenschaftslegung wissenschaftlicher Beratung und ihre Wirkung auf politische Entscheidungsprozesse.
 

Vor dem Hintergrund dieser Probleme hat sich die im Februar 2004 unter der Federführung von Peter Weingart eingerichtete Arbeitsgruppe der Akademie zum Ziel gesetzt, die institutionalisierten Verfahren wissenschaftlicher Beratung auf nationaler Ebene und die Mobilisierung wissenschaftlicher Expertise für Beratungszwecke zu erforschen und auf dieser Grundlage einen Leitfaden mit Kriterien „guter Politikberatung“   sowie weitergehende konkrete Vorschläge für gesetzliche Regelungen zu erarbeiten.
 

Dabei hat die Entwicklung von Leitlinien für die wissenschaftliche Politikberatung   vor allem die Rationalität von Entscheidungen und die Offenheit der Entscheidungsprozesse zu berücksichtigen, ohne dass dies als Legitimation für eine Technokratisierung der Politik und den damit verbundenen Verlust an Handlungsalternativen missverstanden werden sollte. Vielmehr gilt es, die Vielzahl der Handlungsalternativen möglichst umfassend und offen darzulegen, um auf diese Weise dem drohenden Autoritätsverlust der Politikberatung vorzubeugen und die Problemlösungskapazitäten wissenschaftlichen Wissens in der Demokratie aufrechtzuerhalten und zu stärken.
 

Zu den vorgesehenen Themenbereichen der Arbeitsgruppe zählen die Erforschung der Dynamik der Entwicklung wissenschaftlicher Politikberatung, ihre strukturellen Merkmale und Auswirkungen auf die Wissenschaft sowie die institutionelle Ausgestaltung und Demokratisierung von Expertise. Aus diesen Themenbereichen ergibt sich ein Arbeitsplan, der in der ersten Phase eine empirische Datenerhebung und die Analyse der bereits vorliegenden Sekundärstudien vorsieht. Auf dieser Grundlage will die Arbeitsgruppe dann in der zweiten Phase in Workshops und in Planungssitzungen ihre Vorschläge und Leitlinien entwickeln.

 

 

 

 

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