In den Akademien und Hochschulen der deutschsprachigen Länder wird seit Jahrhunderten erfolgreich an Wörterbüchern mit hohem wissenschaftlichem Anspruch gearbeitet. Das Deutsche Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (DWB) ist das wohl bekannteste unter ihnen.

Daneben wurden und werden historische und etymologische Wörterbücher, Epochenwörterbücher (Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Frühneuhochdeutsch, Gegenwartssprache), Wörterbücher und Wortverzeichnisse für bestimmte Autoren (Goethe, Kleist, Hegel, Lessing, Schiller u.a.) ebenso erarbeitet wie großräumige regionale Wörterbücher und Wörterbücher unterschiedlichster Mundarten, Fachwörterbücher (Rechtssprache, Kaufmannssprache, Seemannssprache u.ä.), Wörterbücher für bestimmte lexikalische Teilbereiche (Fremdwörterbücher, Valenzwörterbücher, Namenbücher) und natürlich Wörterbücher ganz unterschiedlicher Art für lebende und tote Fremdsprachen der modernen, der mittelalterlichen und der antiken Welt.

Diese großen Leistungen einer mehr oder weniger koordinierten Wortforschung haben freilich bisher oft im Verborgenen geblüht. Sie sind über einen kleinen, dann freilich enthusiastischen Nutzerkreis meist nicht hinausgelangt. Man hat nie versucht, sie zusammenzuführen. Sie sind mithin weder für die Öffentlichkeit gut sichtbar noch stiften sie den Nutzen, der ganz ohne Zweifel in ihnen steckt.

Hier setzt das von den Präsidenten der Akademien in Heidelberg und Berlin Ende 2002 initiierte Wörterbuchportal an. Es soll die heutigen Möglichkeiten der Digitalisierung und des Internet nutzen, um das in vielen Arbeitsschritten getrennt Geschaffene sichtbar zu machen und erstmals vereint vorzustellen. Es richtet sich damit an all jene Wissenschaftler und Bürger innerhalb und vor allem auch außerhalb Deutschlands, die sich für Herkunft, Bedeutung und Vorkommen des deutschen Wortschatzes interessieren und auf ein übersichtliches Angebot sowie den schnellen Zugriff bei Anfragen angewiesen sind.

In seiner Konzeption und seinem Aufbau ist das Wörterbuchportal offen für alle wissenschaftlich begründeten lexikographischen Leistungen im deutschsprachigen Raum. In diesem Rahmen bedarf es der Mitwirkung aller, die ihm den Zugang zu ihren Werken eröffnen können: Autoren, Herausgeber, betreuende wissenschaftliche Kommissionen und nicht zuletzt Verlage.

Die Arbeit am Wörterbuchportal will einer großen interessierten Öffentlichkeit dienen. Ihre Vollendung hängt nicht nur von der Bereitstellung erforderlicher Finanzmittel ab, sondern von Wohlwollen und Mitwirkung der Fachkollegen sowie der Bereitschaft der Rechtsträger, auf dem hier skizzierten Weg zur effektiven Bündelung der bisher dezentral organisierten Ergebnisse der deutschen wissenschaftlichen Lexikographie zu gelangen. In Anbetracht der Zurückdrängung der deutschen Sprache in der Weltgesellschaft ist zu hoffen, daß dieses virtuelle nationale Projekt die Egoismen überwinden wird und auf Fingerdruck an jedem Ort der Erde die Schätze, die langjährige wissenschaftliche Forschung dem Verstehen und der Verständigung mit Worten zu bieten in der Lage ist, zugänglich machen kann.

Die Arbeit am Wörterbuchportal wird in mehreren klar voneinander abgegrenzten Arbeitsschritten erfolgen, in denen die Informationsfülle und Informationstiefe zunehmend gesteigert werden. Im Jahr 2003 wurden die Selbstdarstellungen der beteiligten Wörterbücher in das Wörterbuchportal aufgenommen und abfragbar aufbereitet sowie das Corpus des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache des 20. Jh. (DWDS) mit dem Wörterbuch der deutschen Sprache (WDG) – beide an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erarbeitet – und dem Heidelberger Deutschen Rechtswörterbuch (DRW) vernetzt.

Zur besseren Kommunikation der Wörterbuchvorhaben untereinander wurde eine betreute Mailingliste eingerichtet. Durch die Programmierung einer Volltextsuche über alle Beschreibungstexte des Wörterbuchportals wurde die Effizienz von Recherche deutlich erhöht.

Mit einem ersten Schritt wurde ein direkter Zugriff auf digitale Wörterbuchfassungen geschaffen. Hierzu wurden die Stichwortlisten des WDG und des historischen Grimm sowie eine Wortstrecke aus der Neubearbeitung des DWB aufgenommen, miteinander verknüpft und absuchbar gemacht. Durch eine gezielte Kontaktaufnahme zu Wörterbuchprojekten, die über interessantes digitales Material verfügen, wird dieses Lemmalisten-Modul mit dem Ziel weiter ausgebaut, schließlich zumindest die hochdeutschen Stichwörter der digitalen Wörterbuchfassungen in einem gemeinsamen Stichwortalphabet zusammenzuführen und so die schnelle Auswahl der gesuchten lexikographischen Informationen zu gestatten. Auf diese Weise wird erstmals der alte Wunschtraum einer direkten Vernetzung des in den Wörterbüchern aufbereiteten Wissens verwirklicht und auch die gegenseitige Ergänzung und Korrektur der in den Wörterbüchern erarbeiteten Informationen ermöglicht.

Um den elektronisch weniger weit vorangeschrittenen Vorhaben ein Beispiel für die Verfahren, Möglichkeiten und die Leistungsfähigkeit der Digitalisierung und digitaler Wörterbucharbeit zu geben, wurde eine graphische Aufarbeitung des „Verzeichnisses der Idiotismen plattdeutscher Mundart“ vorgenommen, die Bild, Text und Lemma (Stichwort) verknüpft. An diesem Beispiel zeigen sich die verschiedenen Möglichkeiten der Retrodigitalisierung von Printwörterbüchern. Angefangen von der einfachen Image-Digitalisierung über die Volltexterstellung bis hin zur strukturierten Auszeichnung der einzelnen Wörterbuchartikel und der Einbindung der Lemmaliste in die Suche des Wörterbuchportals werden alle Stufen der Bearbeitung deutlich.

Durch die Aufnahme des DWDS-Internet-Corpus kann für Wörter des 20. Jahrhunderts im Wörterbuchportal nun auch die Häufigkeit ihrer Benutzung und die Verteilung über die Jahrzehnte hinweg abgefragt werden.

Schließlich näherte sich das Vorhaben seinem Ziel, die Leistungen akademischer Wörterbuchforschung für die breite Öffentlichkeit nicht nur sichtbar zu machen, sondern zur Nutzung zur Verfügung zu stellen, durch eine Partnerschaft mit zeit-online, auf deren Webseiten das Wörterbuchportal verlinkt ist. Zudem hat die EU das Wörterbuchportal als eine der wichtigsten Internet-Sprachressourcen für das Deutsche aufgenommen: http://ec.europa.eu/translation/language_aids/german_en.htm 

Geplant ist auch die Implementierung eines Auswertungsmoduls, das für die Weiterentwicklung hilfreiche Aufschlüsse über Erfolge und Probleme bei der Nutzung des Wörterbuchportals zuläßt.
Im Rahmen eines von der Initiativgruppe veranstalteten Workshops im Frühjahr 2005 soll über Individualität und Typologisierung von Wörterbüchern im Zeitalter digitaler Vernetzung gesprochen werden, um einen Prozeß der Verständigung über Art und Umfang erforderlicher Standards in Gang zu bringen.
 

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