Akademievorlesung Sommersemester 2008:
"Weltbilder"


Karl-Heinz Kohl:
Die Welt als Kleeblatt. Allegorien der drei Erdteile und die Entdeckung Amerikas

22. Mai 2008

Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Einstein-Saal, Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin

<b>Karl-Heinz Kohl: Die Welt als Kleeblatt. Allegorien der drei Erdteile und die Entdeckung Amerikas</b>

Akademievorlesung Sommersemester 2008: "Weltbilder"

Einführung und Moderation:
Christoph Markschies, Humboldt-Universität zu Berlin

Die schon der antiken Geographie geläufige Dreiteilung der Erde in die Kontinente Europa, Asien und Afrika hatte im christlichen Mittelalter mit der biblischen Überlieferung mühelos in Übereinstimmung gebracht werden können, korrespondierte sie doch der Vorstellung von den drei Söhnen Noahs als den Stammvätern der gesamten Menschheit. In Kartographie und Kunst wird sie zum Anlass zahlreicher allegorischer Darstellungen. Mittelalterliche T-Karten zeigen die heilige Stadt Jerusalem als Mittelpunkt der Welt, um die sich die drei Erdteile gruppieren. In Gestalt der Drei Könige huldigen Asien, Europa und Afrika dem neugeborenen Heiland.

Als mit der Entdeckung der "Neuen Welt" das überlieferte Bild der Erde obsolet zu werden beginnt, suchen die zeitgenössischen Künstler nach neuen allegorischen Ausdrucksformen. Profane Motive lösen die sakralen ab. Seit Mitte des 16. Jahrhundert werden die vier Kontinente als weibliche Gestalten personifiziert. Zugleich bildet sich ein fester Kanon von Attributen heraus, um die geographischen und ethnographischen Eigenheiten eines jeden Erdteils zu charakterisieren. Vor allem in der spätbarocken Repräsentationskunst werden Allegorien der Erdteile zu einem beliebten Sujet. Bedeutende Künstler nehmen sich des Themas an.

Als dekorative Elemente finden Erdteilallegorien auch in die Gebrauchskunst Eingang, zieren Treppenhäuser, Schlossgärten und Porzellangeschirr. Im Zeitalter des Absolutismus ihren Höhepunkt erlebend, bricht diese Tradition im ausgehenden 18. Jahrhunderts abrupt ab. Zusammen mit der Verschiebung globaler politischer Machtkonstellationen leitet die Anerkennung Australiens als „fünfter Kontinent“  auch das Ende eines ästhetisch ungemein reizvollen Bildprogramms ein.

Karl-Heinz Kohl lehrt Historische Ethnologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, leitet das dortige Frobenius-Institut und ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Er veröffentlichte u.a. Entzauberter Blick. Das Bild vom Guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation, Frankfurt a. M., 2. A. 1986; zuletzt erschien: Die Macht der Dinge. Theorie und Geschichte sakraler Objekte, München 2003.


Zur Akademievorlesung im Sommersemester 2008 "Weltbilder"

Ob in Religion oder Politik, in Wissenschaft oder Kunst – "Weltbilder" sind in unserer Kultur allgegenwärtig. Sie geben unserem Wissen eine Struktur und sollen unser Handeln leiten. Weltbilder sind ein Versprechen auf Übersichtlichkeit in einer unübersichtlichen Welt. Die grundlegenden Fragen, die mit ihrer Hilfe beantwortet werden, haben sich dabei kaum verändert: Welche Gestalt hat die Welt? Welche Kräfte und Ideen wirken in ihr? Woraus besteht sie? Wie ist sie entstanden? Wie sieht ihre Zukunft aus? Es handelt sich um Fragen nach einer umfassenden Ordnung, die den Menschen umgibt, und in der er seinen Platz einnimmt.

Der Begriff des "Weltbildes" kann hierbei ganz wörtlich genommen werden: Als ein Bild von der Welt unterstreicht er die Bedeutung der Anschaulichkeit für unsere Orientierung in der Welt. Denn diese wird nicht allein sprachlich erschlossen, sondern immer auch visuell. Aus geistes- und aus naturwissenschaftlichen Perspektiven sollen daher die historischen und die gegenwärtigen Rollen von Weltbildern kritisch beleuchtet werden. Das Sehen sowie die konkreten Bildmedien stehen im Mittelpunkt der Ausführungen.

Die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Die Welt als Bild untersucht seit 2005 systematische und historische Aspekte des Zusammenspiels von Weltanschauungen und ihren visuellen Modellbildungen. Ihre Forschung zielt auf ein besseres Verständnis der Rolle visueller Medien für unsere Weltvorstellungen und Weltordnungen. Leiter der Interdisziplinären Arbeitsgruppe sind Christoph Markschies, Peter Deuflhard und Jochen Brüning. Ansprechpartner sind Ingeborg Reichle, Steffen Siegel, Achim Spelten. E-Mail: bildwissenschaft@bbaw.d

Im Frühjahr 2009 werden im Akademie Verlag die Ergebnisse der Weltbildforschung der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Die Welt als Bild in Form eines "Atlas der Weltbilder" vorgelegt werden.

Veranstaltungszeitraum:

18.30 Uhr

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