Forum: Leben 3.0 und die Zukunft der Evolution

Öffentliche Abendveranstaltung

08. Dezember 2010

Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Markgrafenstraße 38, 10117 Berlin

Dass der Mensch in bisher ungeahntem Ausmaß in den Lauf der Evolution eingreift, scheint keineswegs mehr bloße Utopie angesichts der Versuche organisches Leben im Labor zu konstruieren. Das Forum „Leben 3.0 und die Zukunft der Evolution“ lässt sowohl Wissenschaftler_innen als auch Künstler_innen zu Wort kommen, stehen doch nicht weniger als die großen Zukunftserzählungen des Lebens zur Diskussion.

Die Entschlüsselung des Genoms einer ganzen Vielzahl von Spezies weckt seit Jahren sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen im Hinblick auf deren mögliche Manipulation. Dass der Mensch in bisher ungeahntem Ausmaß in den Lauf der Evolution eingreift, scheint keineswegs mehr bloße Utopie angesichts der Versuche der Synthetischen Biologie, organisches Leben zu planen, zu gestalten und im Labor zu züchten. In welche Szenarien diese Entwicklung in der Zukunft münden wird und welche Folgen sich aus ihr ergeben könnten, lässt sich heute nur schwer erahnen, nicht zuletzt da sich Zukunftsfragen in vielerlei Hinsicht wissenschaftlichen Herangehensweisen entziehen.

 

Das Forum „Leben 3.0 und die Zukunft der Evolution“ lässt daher sowohl die Wissenschaft als auch die Kunst zu Wort kommen, stehen doch nichts weniger als die großen Zukunftserzählungen des Lebens zur Diskussion, geleitet von der Frage nach den Wechselwirkungen zwischen gegebener gesellschaftlicher Wirklichkeit und projizierter Zukunft sowie den Interessen der maßgeblich beteiligten Akteure.

 

  

PROGRAMM


Begrüßung

Randolf Menzel

Akademiemitglied

 


Kurzbeiträge

 

Die Vergangenheit der Evolution

Hans-Jörg Rheinberger

Akademiemitglied

Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin

  

In der Geschichte der Evolutionstheorie herrscht eher die Meinung vor, dass über die Zukunft der Evolution nur vage, wenn überhaupt Aussagen gemacht werden können. Der Titel des Symposiums suggeriert das Gegenteil. Hat sich die Situation heute geändert?

 

  

Die Animalisierung des Menschen

Kerstin Palm

Institut für Energietechnik, Technische Universität Berlin


Die Darwinsche Evolutionstheorie hatte und hat bis heute ambivalente Auswirkungen auf die Formulierung eines wissenschaftlichen Menschenbildes. Auf der einen Seite bewirkte sie einen außerordentlichen Animalisierungsschub, der zu einer massiven Zurücknahme menschlicher Selbstbestimmungsmöglichkeiten zugunsten eines Entwurfes vom Menschen als überwiegend triebgeleitetem Wesen führte. Auf der anderen Seite konnte mit evolutionstheoretischen Begründungen eine neue säkulare Idee vom exklusiven Humanen entworfen werden, welches gerade durch die Bindung an das Biologische zur Souveränität und Autonomie bestimmt ist. Der Beitrag skizziert zentrale Argumente dieser beiden Positionen, die bis heute die Kontroversen um die Bedeutung der Evolutionstheorie für das Selbstverständnis des Menschen bestimmen.

  


„Kondensieren Sie Ihr Zeug nur, eines Tages wird’s schon krabbeln“

Reiner Maria Matysik

Bildender Künstler, Berlin/Braunschweig

  

Die Kurzvorstellung der Planung und Realisation der Ausstellung „jenseits des menschen“ zeigt die Objekte, die in Auseinadersetzung mit dem Medizinhistorischen Museum der Charité dafür gemacht wurden. Dabei wurden Labortechniken ebenso eingesetzt wie das klassische Verfahren der Moulagenherstellung. Durch den künstlerischen Zugriff auf moderne Medizintechnik wurde für das Projekt zudem menschliches Gewebe gezüchtet und als „lebende Skulptur“ neben den Wachsarbeiten ausgestellt. Das Ziel dieses Vorgehens war die Herstellung eines neuen lebendigen Systems aus eigener Körpersubstanz des Künstlers. Die Arbeit, die nach eine Biopsie mit seinem Gewebe durchgeführt wurde, macht diesen Schritt, um zu befragen, wie menschliches Leben in umfassender Weise neu geplant, gestaltet und gezüchtet werden kann. Die Moulagentechnik, die der äußeren Gestalt und Anmutung von menschlicher Substanz ähnlich erscheint, wurde eingesetzt, um mögliche reduzierte Formen des menschlichen Körpers vorstellbar zu machen. In seinem Beitrag fragt der Künstler Reiner Maria Matysik nach dem schöpferischen Potenzial der aktuellen Verfahren der Biotechnologie und der Gewebezüchtung, das neue künstlerische Ausdrucksformen bereithält und zu einer neuen Verbindung zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft führen könnte.

 

 
Synthetische Biologie: Konkurrenz für die Evolution?

Dominik Niopek / Stephen Krämer

iGEM-Team Heidelberg, Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

  

Lange Zeit war die Vielfalt des Lebens das Ergebnis der Möglichkeiten und Grenzen der Evolution. Man könnte die These formulieren, dass längst ein unter dem gestaltenden Einfluss des Menschen stehendes Leben 2.0 entstanden ist, vertreten durch gezüchtete und gentechnisch veränderte Organismen. Birgt die Synthetische Biologie das Potential für ein Leben 3.0, das vom Menschen nicht durch Modifikation von Vorhandenem, sondern durch rationale Neugestaltung geschaffen wird? Wie würde sich ein solcher Fortschritt auf die Natur und auf unsere Gesellschaft auswirken? Welche ethischen Rahmenbedingungen für die modernen Biowissenschaften werden benötigt? Der Beitrag will und kann keine befriedigende Antwort auf diese kontroversen Fragen geben, sondern lediglich ein Anstoß zur Diskussion sein.

 

 
Podiumsdiskussion

mit den Referenten

Moderation

Ingeborg Reichle

IAG Bildkulturen, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

 

Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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