Das Vorhaben hat die Historisch-kritische Ausgabe der Werke des Schriftstellers, Naturforschers und Politikers Georg Forster (1754-1794) in zwanzig Bänden mit Kommentar, Register und Bibliographie zum Ziel. Die Edition enthält auch die naturwissenschaftlichen Schriften und den Briefwechsel. Sie erscheint im Akademie Verlag Berlin.

Der Autor und die Edition seiner Werke
Forster hatte an vielen bedeutenden Ereignissen und geistigen Tendenzen seiner Zeit unmittelbar Anteil. Den Zeitgenossen galt der Begleiter Cooks und Parteigänger der Ersten Französischen Republik als guter, lesenswerter Schriftsteller. Aufenthalte in mehreren Ländern, Reisen und ein weiter Korrespondentenkreis in Wissenschaft, Literatur und Politik in ganz Europa gaben Person und Werk europäische Prägung. Die Herausgabe seiner Schriften schließt eine editorische Lücke. Sie schafft eine wichtige Grundlage für die Erforschung der Epoche und ermöglicht die Rückkehr des verdrängten und zu Unrecht vergessenen Mannes in die deutsche Lesewelt. Die Edition ersetzt die unvollständige, veraltete Ausgabe der Schriften von 1843. Erstmals wird das Gesamtwerk Forsters zugänglich. Es umfaßt Texte in mehreren Sprachen zu so unterschiedlichen Gebieten wie Mineralogie, Botanik, Zoologie, Geographie, Völkerkunde, Geschichte, Politik, Kunsttheorie und Literatur, ferner einen zeitgeschichtlich und literarisch wertvollen Briefwechsel. Die Ausgabe ist auf die oben angegebene Zahl an Bänden veranschlagt (11 Werk- und 6 Briefbände, je 1 Band Tagebücher, Register und Bibliographie). Die Schriften sind nach Sachgruppen auf die Bände verteilt, die über umfangreiche textkritische Apparate und Erläuterungen verfügen. Außerdem ist die Ausgabe mit zahlreichen Beigaben und mit zeitgenössischen Abbildungen ausgestattet, u. a. mit einer Auswahl der Pflanzen-, Tier- und Kartenzeichnungen, mit sämtlichen Forster-Porträts, Illustrationen der Originalausgaben sowie Faksimiles von Autographen und mit den Titelblättern aller selbständigen Publikationen Forsters.

 

Das Vorhaben und seine Geschichte

Die Forster-Ausgabe ist eine Nachkriegsgründung. Politisches und wissenschaftliches Interesse an dem Autor sowie die unbefriedigende Quellensituation waren Veranlassung, daß die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin sich 1953 zu einer Gesamtausgabe entschloß. Im damaligen Institut für deutsche Sprache und Literatur der Akademie wurde zu diesem Zweck eine Arbeitsstelle gegründet, die zunächst Gerhard Steiner, von 1970 bis 1981 Horst Fiedler leitete und in der zeitweilig mehrere Wissenschaftler beschäftigt waren. Die Edition wurde in der Akademie der Wissenschaften der DDR gefördert und schließlich ohne Unterbrechung von der Berlin-Brandenburgischen Akademie fortgeführt. Die Ausgabe wußte sich einer bis auf Lachmanns Lessing-Ausgabe und auf die Arbeiten Leitzmanns zurückgehenden philologischen Tradition verpflichtet. Für die Sicherung der aufwendigen Ausgabe hatte Gewicht, daß Forster im historischen Kanon der marxistischen Geschichtsschreibung einen festen Platz einnahm. Georg Lukács stilisierte die Figur geradezu zum Symbol für das Schicksal der demokratischen deutschen Intelligenz. Das Vorhaben sollte nach Rang, Quellenerfassung und editorischer Anlage anderen großen, fachübergreifenden Editionsunternehmen der Berliner Akademie entsprechen. Die zu Beginn entworfenen allgemeinen Editionsregeln ließen es zu, daß sich die Ausgabe im Laufe der Zeit neueren methodischen Entwicklungen anpaßte. Dabei waren Prinzipien der Schiller-Nationalausgabe und der Akademie-Ausgabe von Goethes Werken Muster. Die einzelnen Bandbearbeiter erhielten mit Rücksicht auf das vielfältige Textmaterial die Möglichkeit zu individuellerer Gestaltung. Die Sammlung der Quellen, die über die ganze Welt verstreut sind, war langwierig. Den Krieg hatte mehr überstanden, als zunächst erwartet werden durfte. Über die Hälfte des Briefwechsels, dessen Herausgabe abgeschlosssen ist, konnte nach Autographen gedruckt werden. Sie wurden in elf Ländern Europas sowie in den USA und in Australien zusammengebracht. Die Arbeitsstelle besitzt keine Handschriften. Es existieren aber ein Editionsarchiv und eine kleine Sammlung von Forster-Literatur. Ersteres enthält Kopien sämtlicher Forster-Texte. Zur Büchersammlung zählen einige wertvolle Erstausgaben von Schriften Forsters. Erschienen sind bisher 16 Bände und 1 Teilband, von denen mehrere auch in verbesserten Nachauflagen herauskamen. Alle sind von der Fachkritik wie von der breiteren Öffentlichkeit positiv aufgenommen worden und längst Grundlage der Forschung. Forsters Geltung ist, auch dank der beinahe fertigen Edition, inzwischen über Deutschland hinaus und nicht allein bei der europäischen Linken unbestritten.

 

Der Abschluß der Edition

Band 6
Die naturwissenschaftlichen Schriften sind ein gewichtiger und zugleich der am wenigsten bekannte Teil von Forsters Werk. Darunter sind unveröffentlichte Manuskripte, die sich in der Bibliothek des Naturgeschichtlichen Museums zu Paris befinden. Es handelt sich vor allem um Pflanzenbeschreibungen von der Weltreise 1772-1775 und um allgemeine Vorlesungen über die drei Reiche der Natur an der Universität zu Wilna in den Jahren 1785 bis 1787. Forsters Stellung in den Naturwissenschaften seiner Zeit und eigene Beiträge dazu (botanische und zoologische Erstbeschreibungen, die er gemeinsam mit seinem Vater Johann Reinhold Forster und dem schwedischen Naturforscher Anders Sparrman anfertigte) sind bisher am wenigsten erfaßt. Forster vertrat noch eine enzyklopädische, beschreibende und ordnende Naturkunde wie diejenige Linnés und Buffons. Mit ganzheitlichen Vorstellungen von Natur und Vegetation scheint er aber am Beginn einer Entwicklung zu stehen, die über A. v. Humboldt zur modernen Pflanzenökologie führte. Der Naturkundeband wird das umfangreich überlieferte Material bereitstellen.

 

Band 10
Von den politischen Schriften aus der Revolutionszeit ist der Text (Band 10,1) erschienen. Zu zentralen Fragen der hier zum Teil erstmals veröffentlichten Dokumente, die den unter besatzungsrechtlichen Verhältnissen unternommenen Versuch zur Errichtung eines demokratischen Systems in Deutschland betreffen, aber auch Ursprünge totalitärer Entwicklungen zeigen, nehmen Öffentlichkeit und historische Forschung weiterhin kontrovers Stellung. Um so mehr geboten war die Edition einer vollständigen Textsammlung, die ein von politischer Konjunktur unabhängiges Urteil fördert. Der Kommentar (Band 10,2) erscheint nach Band 6.

 

Band 19 und 20
Die folgenden Bände runden die Edition ab. Der Registerband wird eine Chronik von Leben und Werk nebst zugehörigen Dokumenten enthalten, des weiteren Berichtigungen und Nachträge, einen Editionsbericht und die Nachlaßgeschichte, ein Verzeichnis der handschriftlichen Quellen und einen bearbeiteten Katalog der Bibliothek Forsters, schließlich einen Namenindex zur Gesamtausgabe. Er ist gedacht als praktisches Hilfsmittel zur Benutzung der Ausgabe, das gleichzeitig vorläufiger Ersatz für die fehlende wissenschaftliche Biographie ist. Die 2., neubearbeitete und bis zum Erscheinungsdatum fortgeschriebene Auflage der Forster-Bibliographie soll die seit langem vergriffene 1. Auflage von 1971 ersetzen. Darin sind in der Gestalt älterer Bücherkunden alle Drucke von Forsters Werken sowie zweihundert Jahre Forster-Forschung und publizistische Auseinandersetzung mit dem Autor verzeichnet.

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