Die Begegnungen von Europa und Ägypten führten im 19. Jahrhundert zur Entschlüsselung der Hieroglyphen und zur Etablierung der Ägyptologie als Wissenschaft. Preußens Begegnung mit Ägypten brachte Berlin den ersten deutschen Lehrstuhl für Ägyptologie und den Ausbau des großartigen Neuen Museums auf der Museumsinsel. Richard Lepsius war die prägende Persönlichkeit dieser Entwicklungen, unterstützt von zahlreichen Gelehrten, Politikern und nicht zuletzt den beiden Monarchen von Preußen und Ägypten. Mit seiner Königlich-Preußischen Expedition durch Ägypten und Nubien und der anschließenden Veröffentlichung der Ergebnisse in zwölf bedeutenden Tafelbänden schuf Lepsius das erste wissenschaftliche Quellenwerk für die Ägyptologie.
Der vorgelegte Band vereint die Beiträge einer interdisziplinären Tagung an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Er präsentiert die Lepsius-Expedition auf neue Weise. Biographische Innenansichten von Expeditionsteilnehmern werden von brillanten Analysen der politischen und geistesgeschichtlichen Kontexte jener Zeit ergänzt. Dabei stehen immer wieder Personen im Mittelpunkt. Der intensive Austausch von Lepsius mit Alexander von Humboldt, Carl Josias von Bunsen sowie Ignaz von Olfers und deren Kontakt zu Friedrich Wilhelm IV. zeigen die politische Einbindung der Expedition. Das Wirken des Architekten Georg Erbkam sowie des späteren Diplomaten Heinrich Abeken innerhalb der Expedition wird neu erzählt. Die Präsentation der Ergebnisse der Expedition - die Zeichnungen und Pläne der pharaonischen Monumente im Tafelwerk - prägten das Ägyptenbild jener Zeit ganz wesentlich mit. Sie fanden ihren Weg in das Berliner Neue Museum und in das Wiener Hofmuseum - zwei Museen, deren Konzepte und Ausgestaltungen eng aufeinander bezogen waren und im Band noch einmal fakten- und bildreich erläutert werden. Beiträge zum Wirken der Maler und Zeichner der Expedition während und auch nach der Expedition sowie ihre Einbindung in die Landschafts- und Orientmalerei jener Zeit geben den geistes- und kunstgeschichtlichen Kontext der Expedition wider. Der Bogen wird bis zu den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts gespannt, wo das das neue Ägyptenbild, das ein Verschmelzen von Orientalismus und moderner Ägyptologie abbildete, zu spüren war.
Der ästhetischen Wirkung von Bildern, die so wichtig bei der Aneignung fremder Kulturen war und ist, wird der Band durch zahlreiche selten veröffentlichte Landschaftsbilder und Werken der Orientmalerei gerecht. Der Band ist zudem eine Personengeschichte und macht deutlich, wie fruchtbar Begabungen und persönliches Engagement mit politischen und kulturellen Vorgängen des 19. Jahrhunderts zusammentrafen. So wird er zu einer kleinen Sozial-, Kultur und Kunstgeschichte - erzählt am Beispiel interessanter Persönlichkeiten.
Preußen in Ägypten - Ägypten in Preußen. Hrsg. von Ingelore Hafemann, 272 Seiten, Kulturverlag Kadmos
Berlin 2010. Preis: 29:80
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