Akademievorlesungen im Wintersemester IAG Gentechnologiebericht: GENTECHNOLOGIE IN DEUTSCHLAND Ferdinand Hucho und Julian Nida-Rümelin

19. Januar 2006

Akademiegebäude, Einstein-Saal

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Zur Einführung:

Gentechnologie ist keine Hochtechnologie wie andere. In weiten Bereichen der Grundlagenforschung, der medizinischen Diagnostik und Forensik und der Wirtschaft fest etabliert, sind ihre möglichen Anwendungen in der Landwirtschaft und in der humanmedizinischen Therapeutik umstritten und umkämpft. Ist Deutschland hier Vorreiter eines sensiblen Umgangs mit einer Risikotechnologie oder fällt es ohne Not aus spezifischen Gründen auf einem Gebiet zukunftsweisender Innovation zurück? Unbestritten tun wir Deutschen uns hier besonders schwer. Die Akademievorlesungen gehen den spezifisch deutschen Befindlichkeiten und dem Stand der Technik u. a. auf den Gebieten der "Grünen Gentechnik", der medizinischen Diagnostik und der Stammzellforschung in unserem Lande nach. Sie analysieren diesen Konflikt, indem sie Naturwissenschaftler, Mediziner und Ethiker zu einem interdisziplinären Diskurs vereinigen.

Ferdinand Hucho, Universitätsprofessor für Biochemie, Freie Universität Berlin, und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Sprecher der AG Gentechnologiebericht:

"Deutschland - Gentechnologisches Entwicklungsland? - Eine Einführung in die Problematik"

 

Zusammenfassung: Gentechnik begann 1972. In den seither mehr als drei Jahrzehnten hat sie die lebenswissenschaftliche Grundlagenforschung revolutioniert und sich in weiten Bereichen der pharmazeutischen Industrie, der Forensik und der diagnostischen Medizin fest etabliert. Dennoch ist sie in einigen Kreisen der Bevölkerung noch immer nicht uneingeschränkt akzeptiert. Dies führt zu Verzögerung von Innovationen, insbesondere z. B. in der Landwirtschaft. Die Vorlesung stellt ein Monitoring-Projekt der BBAW vor, beschreibt den Stand der Einführung der Gentechnologie in die verschiedenen Bereiche von Forschung und Industrie, faßt Trends, Probleme und Aussichten zusammen und formuliert Handlungsbedarf für Politik und Gesellschaft.

Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie, Ludwig-Maximilians-Universität München, und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften:

"Rationale Risiko-Kriterien für Hochtechnologien"

Zusammenfassung: Der Vortrag wird Kriterien eines rationalen Umgangs mit Risiken von Hochtechnologien entwickeln. Rationalität setzt begründbare Bewertungsmaße voraus. Diese gelten seit einigen Dekaden in weiten Kreisen der Öffentlichkeit und der Wissenschaft zunehmend als obsolet. Subjektivierung und Ideologisierung sind die Folgen. Dagegen plädiert Nida-Rümelin für einen neuen, auf Verständigung gerichteten Diskurs, der die Risiken abwägt und zu einem gesellschaftlich konsensfähigen Resultat führt. Dieser muß die ökonomische, soziale und kulturelle Folgenabwägung mit den individuellen Rechten und Freiheiten der Bürger in Einklang bringen. Dies erfordert – konsequentialistische und deontologische – Normen, die einen neuen Gesellschaftsvertrag begründen, der der Risiko-politik Orientierung gibt. Diese Thesen werden philosophisch begründet und anhand zweier Hochtechnologien, der Nuklear- und der Gentechnologie, erläutert.

Veranstaltungszeitraum:

18.30 Uhr

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