Die moderne Forschung nennt diesen Glauben homöisch, aber für die Bischöfe der Reichskirche ebenso wie für diejenigen Italiens war er nichts anderes als „Arianismus“, eine gefährliche Irrlehre, die unnachgiebig zu bekämpfen sei. Die große Mehrheit seiner römischen Untertanen hingegen gehörte Gemeinden an, deren Bischöfe sich als „katholisch“ verstanden und jegliche Gemeinschaft mit „Arianern“ ablehnten; nur die Juden führten daneben eine anerkannte Sonderexistenz.
Gleichwohl bestand im gotischen Italien und gefördert durch den König ein Zustand faktischer Koexistenz zwischen der „homöischen“ Kirche der mit Theoderich eingewanderten Goten und der einheimischen, „katholischen“ Kirche der Mehrheitsgesellschaft. Man kann daher von einer Art Bikonfessionalität sprechen. Diese Konstellation war jedoch instabil und prekär, da alle christlichen Kirchen der Spätantike der Auffassung waren, es gebe in Wahrheit nur eine Kirche; wer deren Glaubensbekenntnis nicht teile, stehe außerhalb der wahren Kirche. Die Koexistenz mehrerer Glaubensgemeinschaften mit unterschiedlichen Bekenntnissen ließ sich daher theologisch nicht rechtfertigen; konfessionelle Pluralität war in diesem Kontext prinzipiell undenkbar.
Der Vortrag beschäftigt sich mit Frage, wie die bikonfessionelle Situation sich auf die Kommunikation zwischen gotischen Herrschern und katholischen Untertanen auswirkte: Wie war es möglich, religiöse Fragen zu thematisieren, ohne die konfessionelle Differenz anzusprechen? Welche Themen wurden ausgeklammert? Welche Formen der Kooperation zwischen „katholischer“ Kirche und „homöischem“ König waren möglich und welche nicht? Von besonderem Interesse ist dabei die Rolle, die Theoderich in den Auseinandersetzungen um das römische Bistum spielte: Als es 498 zu einer Doppelwahl kam, wurde der König als Schiedsrichter angerufen und entschied für Symmachus. 501 berief er eine Synode nach Rom, die über Anklagen gegen Symmachus befinden sollte, und nahm Einfluss auf ihren Verlauf. Als die Synode Symmachus ohne Untersuchung in seinem Amt bestätigte, ignorierte der König diese Entscheidung und führte dadurch das „Laurentianische Schisma“ herbei.
Ein Vortrag von Hans-Ulrich Wiemer (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg).
Eine Veranstaltung des Akademienvorhabens »Die alexandrinische und antiochenische Bibelexgese in der Spätantike« in Kooperation mit der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.