Neue Mitglieder der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

29.06.2012 | BBAW/14/2012

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hat fünf neue Mitglieder gewählt. Zum Mitglied kann berufen werden, wer sich durch herausragende wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet hat.

Es wurden gewählt:

 

Leena Bruckner-Tuderman, Jg. 1952, seit 2003 Professorin und Ärztliche Direktorin der Universitäts-Hautklinik in Freiburg i.Br.

 

Markus Gross, Jg. 1963, seit 1997 Professor für Computer Science an der ETH Zürich und seit 2008 Direktor des Disney-Forschungslabors in Zürich.

 

Ulrich Raulff, Jg. 1950, seit 2004 Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach und seit 2005 Mitglied des Präsidiums des Goethe-Instituts.

 

Stefan J. Reichelstein, Jg. 1957, seit 2002 William R. Timken Professor of Accounting an der Stanford University, USA.

 

Sarah Stroumsa, Jg. 1950, seit 2003 Alice and Jack Ormut Professor of Arabic Studies an der Hebrew University of Jerusalem und seit 2008 Rektorin der Hebrew University.

 

Damit gehören der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften 161 Ordentliche und 88 emeritierte Mitglieder sowie 68 Außerordentliche Mitglieder an. 36 Mitglieder sind Frauen. Die Akademie wählt ihre Mitglieder aus allen Wissenschaftsgebieten und dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus dem Ausland.


Im Folgenden finden Sie ausführlichere biographische Angaben zu den neu gewählten Mitgliedern:


Leena Bruckner-Tuderman
Humanmedizin / Dermatologie
Biowissenschaftlich-medizinische Klasse
Ordentliches Mitglied

Leena Bruckner-Tuderman, Jg. 1952, hat an der Universität Oulu, Finnland, Humanmedizin studiert und wurde 1977 dort promoviert. Nach ihrer Facharztausbildung in Dermatologie und Venerologie in Zürich (1984–1987) hat sie sich 1989 in Zürich habilitiert.1994 wurde sie in Münster umhabilitiert und erhielt im selben Jahr die Anerkennung als Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten. 2002 nahm sie den Ruf auf den Lehrstuhl für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Freiburg i.Br. an, seit Anfang 2003 ist sie Professorin und Ärztliche Direktorin der dortigen Universitäts-Hautklinik. Seit 2007 ist sie Fellow am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) und seit 2010 Direktorin der School „LifeNet“. Forschungsaufenthalte führten sie an die Rutgers Medical School NJ/ USA und an die Harvard Medical School. Sie war SCORE-Stipendiatin des Schweizerischen Nationalfonds und Heisenberg-Stipendiatin der DFG. Sie ist Mitglied zahlreicher Fachverbände und -gesellschaften. Für ihre wissenschaftlichen Leistungen erhielt sie nationale und internationale Auszeichnungen, darunter den Eva Luise Köhler-Forschungspreis (2009) und die Visiting Professorship der University of Hong Kong. Sie ist Ehrenmitglied der Ungarischen Dermatologischen Gesellschaft sowie Mitglied der Leopoldina und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.


Leena Bruckner-Tuderman ist eine der wenigen Persönlichkeiten in der Medizin, die in hervorragender Weise die Grundlagenforschung mit der klinischen Forschung und Krankenversorgung verbinden. Sie befasst sich mit der Erforschung der Pathogenese der Epidermolysis bullosa (EB), einer seltenen genetisch bedingten Hauterkrankung, die zur lebenslangen Bildung von schmerzhaften Blasen und Wunden sowie Folgesymptomen in vielen anderen Organen führt. Trotz erzielter Fortschritte bei der Erforschung der genetischen Ursachen sind die biologischen Krankheitsmechanismen noch nicht geklärt und die Entwicklung von molekularen Therapieansätzen erst in der Anfangsphase. Leena Bruckner-Tuderman erforscht die Biologie der Haut-Basalmembranzone und deren Anomalien bei der EB seit 2003 in enger Verbindung mit dem von ihr koordinierten deutschen Netzwerk Epidermolysis bullosa und verfolgt dabei das Ziel der Entwicklung wissenschaftlich begründeter Therapien. Sie engagiert sich darüber hinaus für die Implementierung von Strukturen für die spezialisierte Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen.


Markus Gross
Informationstechnologie
Technikwissenschaftliche Klasse
Ordentliches Mitglied

Markus Gross, Jg. 1963, hat in Saarbrücken Computer Engineering studiert, wurde hier 1989 promoviert und erhielt 1995 an der TU Darmstadt die Venia Legendi für Computer Science. 1994 folgte er dem Ruf an die ETH Zürich und gründete das Labor für Grafische Datenverarbeitung, das unter seiner Leitung heute zu einem der führenden Forschungszentren in der Welt gehört. 1997 wurde er zum ordentlichen Professor für Computer Science an der ETH Zürich berufen und seit 2008 ist er Direktor des Disney-Forschungslabors in Zürich. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Outstanding Achievement Award der EUROGRAPHICS Association. Er ist Mitglied zahlreicher Herausgebergremien sowie deutscher und internationaler Fachgemeinschaften.


Markus Gross ist einer der international führenden deutschen Wissenschaftler im Bereich der Informationstechnologie. Sein Forschungsgebiet umfasst die Grafische Datenverarbeitung, Simulation und Modellierung. Seine Beiträge konzentrieren sich auf die Analyse von Punktmengen zur diskreten Repräsentation und Darstellung dreidimensionaler Geometrien. Er gilt als Pionier bei der Erkennung des Potentials derartiger Strukturen für die Computergrafik und geometrische Modellierung und hat mit einer Serie erstklassiger Publikationen maßgeblich zum Verständnis von Punktrepräsentationen beigetragen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung von Methoden und Algorithmen zur physikalischbasierten Computeranimation. Derartige Methoden sind von zunehmender Bedeutung für medizinische Anwendungen im Bereich der Chirurgiesimulation, aber auch zur Berechnung von Phänomenen wie Rauch, Flüssigkeiten, Deformation und Bruch. Neben den rein physikalischen Simulationsmethoden richten sich seine Forschungen auf die Repräsentation von Oberflächengeometrien in Simulationen, die einen maßgeblichen Beitrag zur visuellen Qualität von Animationen liefert. Zu den wichtigsten Anwendungen zählen menschliche Gesichter, die zu den schwierigsten Objekten der Computersimulation gehören. Schließlich befasst er sich mit dem Entwurf und Bau von Systemen zur dreidimensionalen Videoverarbeitung. Er war Initiator und geistiger Vater von blue-c, einem einzigartigen System zur immersiven Telekonferenz über lange Distanzen. Das von seinem Team entwickelte Hard- und Softwaresystem ist weltweit als Meilenstein auf dem Gebiet bekannt.

 

 

 


Ulrich Raulff
Philosophie, Geschichte
Geisteswissenschaftliche Klasse
Ordentliches Mitglied

Ulrich Raulff, Jg. 1950, hat Anglistik, Philosophie und Geschichte studiert, wurde 1977 in Marburg promoviert und habilitierte sich 1995 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2004 ist er Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach, seit 2005 Mitglied im Präsidium des Goethe-Instituts. Er war Fellow des Getty Research Institute in Santa Monica/USA (1996), des Wissenschaftskollegs zu Berlin (2003/2004) und des Institute for Advanced Study in Princeton/USA (2011).


Ulrich Raulff zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Pluridisziplinarität aus. Seine Dissertation von 1977 „Das normale Leben. Michel Foucaults Theorie der Normalisierungsmacht“ befasst sich mit einem philosophischen Thema. Als Historiker hat er sich vor allem mit seiner Monographie „Ein Historiker im 20. Jahrhundert: Marc Bloch“ (1995) einen Namen gemacht, die im In- und Ausland als Standardwerk gilt. Im Bereich der Kunstgeschichte ist er durch seine Studien zu Aby Warburg hervorgetreten – die Aby-Warburg-Stiftung zeichnete ihn 1997 mit dem Hans Reimer-Preis aus. Unter dem Titel „Wilde Energien. Vier Versuche zu Aby Warburg“ erschienen 2003 seine Essays. Als Literaturwissenschaftler wurde er durch seine faszinierende Untersuchung über die Geschichte der George-Schüler bekannt, die unter dem Titel „Kreis ohne Meister: Stefan Georges Nachleben“ 2009 erschienen ist und mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde. Bereits 1996 verlieh ihm das Wissenschaftskolleg zu Berlin den Anna Krüger Preis für wissenschaftliche Prosa. Ulrich Raulff ist ein reflektierter Vermittler und Beobachter. In den 1970er und -80er Jahren hat er zahlreiche Werke vor allem aus dem Französischen übersetzt. Er hat Texte von Aby Warburg, Friedrich Gundolf und Hans Delbrück herausgegeben. Von 1997 bis 2001 war er Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, von 2001 bis 2004 Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung und spielte hier eine entscheidende Rolle im geistigen und kulturellen Leben im Deutschland nach der Wiedervereinigung. Als Kooperation des Marbacher Literaturarchivs, der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Klassik Stiftung Weimar hat er 2007 die „Zeitschrift für Ideengeschichte“ ins Leben gerufen. Er gilt als Kenner der geisteswissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen und intellektuellen Szene in Deutschland und darüber hinaus in Europa und Amerika.


Stefan J. Reichelstein

Ökonomie
Sozialwissenschaftliche Klasse
Ordentliches Mitglied

Stefan J. Reichelstein, Jg. 1957, studierte Managerial Economics an der Northwestern University, USA, und erhielt dort 1984 den Ph.D. Bereits 1982 wurde er Assistant Professor an der University of California in Berkeley, wechselte von dort 1986 an die Stanford University, zunächst als Assistant, dann als Associate Professor, bevor er 1990 nach Berkeley zurückkehrte und 1993 als Full Professor berufen wurde. Seit 2002 ist er William R. Timken Professor of Accounting in Stanford.


Stefan Reichelsteins Forschungsschwerpunkte liegen an der Schnittstelle von Informationsökonomie und Rechnungswesen. Seine Arbeiten verbinden betriebswirtschaftliche, volkswirtschaftliche und juristische Überlegungen. Im Bereich des Accounting gehört er zu einer Kerngruppe von Wissenschaftlern, die dieses Gebiet in den letzten 25 Jahren grundlegend verändert haben. Hierbei geht es um Gestaltungsmöglichkeiten für die Regeln des innerbetrieblichen Rechnungswesens mit dem Ziel, Managern geeignete Informationen und Anreize bei der Entscheidungsfindung zu liefern. Die Entwicklung der Theorie des Managerial Accounting ist maßgeblich von Stefan Reichelstein mitgeprägt worden. Seiner herausragenden Stellung in diesem Bereich entspricht seine langjährige Mit- bzw. Hauptherausgeberschaft bei weltweit führenden betriebswirtschaftlichen Zeitschriften wie „Review of Accounting Studies“ und „Management Science“. Auf dem Gebiet der Anreiz- und Mechanismustheorie hat Reichelstein entscheidende Beiträge zur Informationsverarbeitung und Koordination in dezentralisierten Organisationen geliefert. In einem gemeinsam von Edlin und Reichelstein in der „American Economic Review“ veröffentlichten Beitrag zum so genannten „Holdup“-Problem zeigen die Autoren, wie einfache vertragliche Regelungen und Strafen für Vertragsbruch kombiniert werden können, um effiziente Investitionsanreize zu setzen – ein Lösungsvorschlag, der heute als Standardlösung des „Holdup“-Problems gilt. In jüngsten Arbeiten beschäftigt sich Stefan Reichelstein auch mit Fragen der Umweltökonomie, insbesondere im Zusammenhang mit Energiegewinnung und CO2-Emissionen. Hierbei hat er beispielsweise untersucht, unter welchen Voraussetzungen sich Technologien zur unterirdischen Endlagerung von bei der Stromerzeugung entstehendem CO2 lohnen und wie der Einsatz dieser Technologien den Strompreis beeinflussen wird. Die Methoden in diesen Arbeiten haben direkte Implikationen für die Analyse der Wettbewerbsfähigkeit von erneuerbaren Energien.


Sarah Stroumsa
Arabische Studien, Judaistik
Geisteswissenschaftliche Klasse
Ordentliches Mitglied

Sarah Stroumsa, Jg. 1950, hat an der Hebrew University of Jerusalem und an der École Pratique des Hautes Études in Paris Arabische Sprache und Literatur sowie Middle Eastern Studies studiert. 1984 wurde sie in Jerusalem promoviert. Seither lehrt sie an der Hebrew University, seit 2003 als Alice and Jack Ormut Professor of Arabic Studies. Von 2003 bis 2006 war sie deren Vizerektorin, 2008 wurde sie zur Rektorin ernannt. Ihr Wirken aber reicht weit über Jerusalem hinaus. Als Fellow bzw. Gastprofessorin war sie u.a. in Budapest, Paris, Montreal, Pennsylvania und Harvard sowie am Einstein Forum in Potsdam.

 

Ab Herbst 2012 plant sie einen Forschungsaufenthalt in Berlin, um an ihrem Forschungsprojekt zur Untersuchung des Beitrags von Juden, Muslimen und Christen zu einer gemeinsamen philosophischen Tradition der Iberischen Halbinsel zu arbeiten. Sarah Stroumsa ist eine Vertreterin unterschiedlicher Disziplinen – von der Philosophie und der Kirchengeschichte im Vorderen Orient über Judaistik bis zur Islamwissenschaft. Sie verfolgt einen Forschungsansatz, der die jüdische, die muslimische und die christliche Ideengeschichte im mittelalterlichen Mittelmeerraum und im Vorderen Orient zusammenführt. In ihren wissenschaftlichen Arbeiten zeichnet sie sich durch eine ungewöhnlich breite internationale Vernetzung aus. Schwerpunkte ihrer Arbeiten bilden die judäo-muslimische Tradition und die jüdische Geistesgeschichte im islamischen Mittelalter. Sie hat auf ihrem Gebiet in englischer, französischer, deutscher und hebräischer Sprache publiziert; wichtige Arbeiten wurden ins Arabische, Türkische, Indonesische und Spanische übersetzt. Ihre Mitherausgeberschaft an zentralen Werken wie „‘A Word Fitly Spoken’: Studies in Mediaeval Exegesis of the Hebrew Bible and the Qur`an. Presented to Haggai Ben-Shammai.“ (2007, hebr.) und „Exchange and Transmission Across Cultural Boundaries: Philosophy and Science in the Mediterranean World” (im Druck) wie auch ihre Monographie „Maimonides in his World: Portrait of a Mediterranean Thinker“ (2009/2012) unterstreicht einmal mehr ihr Interesse an Grenzüberschreitungen – nicht im Sinne des Tabubruchs, sondern der Begegnung und der gegenseitigen Befruchtung über religiöse Grenzen hinweg. Zahlreiche Preise, zuletzt der Humboldt-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung (2010), zeugen von ihrer internationalen Wertschätzung.
 

Pressemitteilung als PDF (PDF, 56KB)

 

Pressekontakt:
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Leitung Referat Information und Kommunikation
Gisela Lerch
Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin
Tel. 030/20370-657, Fax: 030/20370-366
E-Mail: lerch@bbaw.de
 

© 2024 Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften